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Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Sturmkönige 02 - Wunschkrieg

Titel: Sturmkönige 02 - Wunschkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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aufrichtiger als irgendeines zuvor. Am liebsten hätte er sie abermals in die Arme genommen, nur um schweigend mit ihr dazustehen und die letzten Minuten der Ruhe auszukosten, bevor sie sich abermals in die Höhle des Löwen wagten.
    Dabei waren sie eigentlich längst dort angekommen – nur ließ sich der Löwe nicht blicken. War das gut oder schlecht? Er wusste es nicht. Seine Sorge um Sabatea raubte ihm mehr und mehr die Fähigkeit, über etwas anderes als sie nachzudenken. Er hoffte inständig, dass er sie nicht für eine vage Vermutung, eine fixe Idee in Gefahr brachte.
    Sie riskierte ihr Leben für ihn. Ihr Vertrauen in ihn war ein ebenso großes Gut wie ihre Liebe, und beides war das kostbarste Geschenk, das man ihm jemals gemacht hatte.
    Immer mehr Gänge und Ziegelschächte. Schließlich tasteten sie sich im Lampenschein eine Treppe hinauf. An der obersten Stufe blieb Sabatea stehen. Tarik hatte in den eintönigen Korridoren längst die Orientierung verloren. Er vermutete, dass sie sich im zweiten oder dritten Stockwerk des Palastes befanden.
    »Wir sind auf dem richtigen Weg«, erklärte Sabatea mit triumphierendem Unterton und deutete auf eine der schmalen Holztüren. Wahrscheinlich wurde sie auf der anderen Seite der Mauern durch Vorhänge und Wandschmuck verdeckt, damit sie in ihrer Schlichtheit nicht die verwöhnten Augen der Höflinge beleidigte.
    Wie alle Türen trug auch diese ein Schild mit einer eingekerbten Zahl.
    »Ist sie das?«, fragte er leise.
    »Ich glaube, ja.« Sie holte tief Luft. »Ich habe kaum darauf geachtet. Aber wenn hinter der Tür eine Marmorsäule steht, dann sind wir auf dem richtigen Weg.«
    In einem Bauwerk wie diesem gab es wahrscheinlich Hunderte von Marmorsäulen, doch er nickte nur, trat an ihr vorbei und legte eine Hand an den Griff. Die Tür war durch einen einfachen Riegel gesichert, der sich von beiden Seiten bedienen ließ. Sie waren mit bloßen Händen in den Palast eingedrungen, und mehr als zuvor wünschte er sich jetzt eine Waffe. Er hatte gehofft, unterwegs etwas aufzulesen, mit dem er sich verteidigen könnte, aber in den menschenleeren Dienergängen gab es nichts als Öllampen und ein paar stehen gebliebene Tonschalen.
    »Wir sind lausige Einbrecher«, flüsterte er.
    »Du sagst es.«
    Er öffnete den Riegel. Das Klacken erschien ihm in der Stille der Korridore verräterisch. Langsam zog er den Türflügel nach innen, nur einen Spaltbreit. Flammenschein von einem nahen Feuerbecken flackerte herein. Wahrscheinlich war die Sonne noch nicht aufgegangen. Marmor verdeckte einen Großteil der Sicht, weiß und rosa meliert.
    Sabatea lugte an ihm vorbei durch den Spalt.
    »Ist das die Säule?«, fragte er.
    »Es ist eine Säule«, erwiderte sie unschlüssig.
    Tarik seufzte leise.
    »Ich glaube, wir sind hier richtig.« Das klang, als müsste sie sich selbst überzeugen. »Die Zimmer für die Gäste sind ganz in der Nähe. Wenn wir erst einmal dort sind, finde ich auch den Weg zu Khalis’ Gemächern.« Fast ein wenig entschuldigend fügte sie hinzu: »Ich hatte nicht viel Besseres zu tun, als alle Gänge abzulaufen und mich im Palast umzuschauen.«
    »Die Wunder Bagdads hab ich auch sehr genossen.«
    »Sticheleien werden dir wenig helfen, wenn wir der Leibgarde begegnen.«
    »Ein Schwert wäre gut.«
    »Besser wäre eine Verkleidung.« Sie schob die Hand an ihm vorbei und drückte die Tür wieder zu. »Suchen wir uns einen Eingang zu einem der Schlaftrakte. Vielleicht finden wir dort irgendwas Brauchbares.«
    Auf ihrem Weg hierher waren sie an Dutzenden Türen vorübergekommen. Hinter jeder mochte ein Schlafgemach oder eine vollbesetzte Wachstube liegen.
    »Hörst du das?«, fragte sie plötzlich.
    Er hielt den Atem an. Lauschte.
    Viele Stimmen. Ein kollektives Wehklagen in den Weiten des Herrscherpalastes.
    »Falls ihnen jemand die Wahl gelassen hat, dann haben sie sich gerade für die schlechte Nachricht entschieden.« Abermals griff er nach dem Türriegel. »Eine Weile sollte sie das beschäftigen.«
    »Was -«
    »Planänderung. Das ist die Gelegenheit.«
    »Aber die Sachen, die wir – «
    »Keine Zeit dafür.« Er gab ihr einen Kuss auf die protestierend geöffneten Lippen und deutete hinaus ins Flackerlicht des Feuerbeckens. »Jetzt bist du dran. Welche Richtung?«

 
Spiegelauge
 
 
    Geschwind huschten sie an pastellfarbenen Wandbehängen vorüber, passierten Säulenalleen und Galerien mit Geländern aus Elfenbein. Immer wieder gingen sie hinter gewaltigen

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