Sturmrappe — Der Außenseiter (German Edition)
duscht er und zieht sich an.
In der Küche ist eine Kaffeemaschine und in der Tiefkühltruhe entdeckt er eine Tüte Kaffeepulver. Er kocht Kaffee und findet einen Becher, dann setzt er sich mit seinem Buch auf die Veranda. Es ist noch ein bisschen kühl draußen, doch die Sonne geht auf und die Veranda ist nach Osten zu den Bergen hin ausgerichtet. Er liest eigentlich gar nicht, sondern sitzt nur mit seinem Kaffee da und denkt darüber nach, ob er so leben könnte. Wenn er wirklich hier leben würde, wäre er jetzt natürlich schon drüben bei den Ställen und würde helfen, die Pferde zu füttern und nach draußen zu bringen und den Trainingsplan für den Tag auszuarbeiten. Wenn das hier sein Leben wäre, hätte er vielleicht jemanden oben in seinem Bett, der ihn festgehalten hätte, als er aufstand und versucht hätte, ihn zurück ins Bett zu locken.
Er kämpft gegen die Versuchung an, sich Justin in seinem Bett vorzustellen, wie er seine Augen gegen das Tageslicht abschirmt und versucht, Dan in die Decke einzuwickeln. Kurz blitzt vor ihm Jeff in derselben Rolle auf, seine sanften Augen, die zusehen, wie Dan aus der Dusche kommt, seine großen Hände, die auf Dans Hüften ruhen und ihn zurück ins Bett ziehen, aber diese Vorstellung unterdrückt er auch gleich wieder. Aus ihm und Jeff kann nichts werden. Es wäre Untreue Justin gegenüber und unfair Evan gegenüber, und wenn ohnehin nichts daraus werden kann, sollte Dan besser aufhören, sich mit der Vorstellung davon zu quälen. Er stellt sich Justin vor, wie er jetzt ist, leblos in einem sterilen Krankenhausbett dahinsiechend, und es ist so effektiv wie eine kalte Dusche. Mit Dans Fantasien ist es für diesen Morgen vorbei.
Evan hatte angekündigt, er würde um sechs aufstehen und wäre um sieben bereit für den Tag. Es ist noch nicht ganz sieben, aber Dan nimmt sich einfach vor, langsam zu gehen. Er bringt Buch und Becher hinein und macht sich auf den Weg zum Haus. Er ist noch nicht weit gekommen, als er die beiden Hunde auf sich zurasen sieht. Evans große Gestalt kommt auf einem Weg zwischen den Bäumen hervor und folgt den Hunden, wenn auch etwas langsamer.
Dan geht in die Hocke, um die Tiere zu begrüßen, und wird mit Hundeküssen und kalten Nasen an seinem Hals belohnt. Er erhebt sich lachend und geht ihrem Herrchen entgegen.
Evan kehrt um, damit er Dan zum Haus begleiten kann. Keiner von beiden ist besonders gesprächig. Doch als die Hunde im Wald verschwinden, grinst Evan. „Wir haben heute Morgen ein Reh gesehen und sie hatten keine Ahnung, was sie machen sollten. Aber seitdem jagen sie jedem raschelnden Blatt hinterher, als müssten sie etwas beweisen.“
„Nicht die besten Jagdhunde, was?“
„Naja, sie … bemühen sich.“
„Das ist besser so. Als ich noch ein Kind war, hatten wir einen Hund, der mindestens einmal am Tag irgendwas Totes nach Hause gebracht hat. Und wenn wir es nicht tief genug vergraben haben, hat er es ausgegraben und wieder mitgebracht, als hätte er es noch mal getötet, ganz egal, wie verwest es schon war und wie schlecht es gerochen hat. Also mussten wir's tief vergraben.“
Evan grinst. „Klingt nach dem richtigen Job für einen jungen Spund wie dich.“
Dan spannt seine Schultermuskeln an. „Das hier sind Totengräbermuskeln, Kleiner.“
Sie gehen ein Stück, dann fragt Evan: „Wo war das? In Kentucky?“
Dan schüttelt den Kopf. „Nein, in Texas.“
„Ach ja? Bist du da aufgewachsen?“
„Ja, hauptsächlich.“ Dan findet, das ist jetzt weit genug gegangen. „Übrigens: Tatiana meinte, sie wollte dabei sein, wenn ich mir die Umbauten an den Ställen ansehe. Meinte sie das ernst, oder können wir jetzt hingehen?“
Evan verzieht das Gesicht. „Oh, nein, das meinte sie völlig ernst. Sie hat mich überredet, heute in der Schule fehlen zu dürfen, um ‚ein Teil des neuen Unternehmens‘ zu sein. Sie möchte bei den Vorstellungsgesprächen dabei sein, bei der Inspektion der Anlage, bei allem.“
„Linda hat erzählt, du wolltest , dass sie sich mehr für das Geschäftliche interessiert.“
„Ja, und wenn das tatsächlich der Fall ist, ist es gut. Ich frage mich nur, ob sie nicht nur interessiert tut, um nicht in die Schule zu müssen. Und vielleicht …“ Evans Mundwinkel zucken leicht. „Vielleicht um mehr Zeit mit dem traumhaften neuen Trainer zu verbringen.“
Dan stottert ein bisschen. „Ernsthaft? Weiß sie nicht, dass ich schwul bin?“
Evan lacht. „Naja, sie weiß über Justin
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