Sturmrappe — Der Außenseiter (German Edition)
aufrechtzuerhalten und bringt ihn in Gefahr, aus dem Gleichgewicht zu geraten. Er erinnert sich an sein kleines Drama vom Vortag und verzieht das Gesicht. Er weiß, dass er die Schuld dafür nicht auf Jeff schieben kann, aber glaubt, dass er ohne Jeffs verständnisvolle und freundliche Art vielleicht schneller seine Fassung wiedergefunden hätte. Und Dan weiß, dass Jeff in Kentucky nichts zu erledigen hat, weiß, dass er so schwach gewirkt hatte, dass Jeff dachte, er müsste auf ihn aufpassen. Die Tatsache, dass Jeff immer noch hier ist, ist ein peinlicher Beleg für Dans Unfähigkeit, sich normal und als Herr seiner Gefühle zu geben. Er denkt schuldbewusst an Jeffs tatsächliche Verpflichtungen in Kalifornien, an die bevorstehende Kunstausstellung, für deren Vorbereitung er nach eigener Aussage eine Menge Zeit aufwenden müsste. Stattdessen sitzt er jetzt in einem Hotel in Louisville herum und macht sich Sorgen, ob Dan sich überhaupt allein verpflegen kann.
Wie zur Bestätigung knurrt Dans Magen. Er wirft einen Blick auf sein Telefon und denkt darüber nach, Jeff anzurufen, um sein Angebot doch noch anzunehmen, aber das wäre zu erbärmlich. Dann hört er Schritte auf der Treppe und jemand klopft an die Tür, die Dan wie immer nur angelehnt hat. Dan ist nur ein bisschen enttäuscht, als die Tür sich öffnet und Chris‘ Gesicht dahinter zum Vorschein kommt.
Mit dem Fuß schiebt Chris die Tür weiter auf und Dan sieht, dass er eine Menge trägt. Es sind hauptsächlich Tüten, aber es sind auch ein paar Dosen dabei, Tupperware … Dans Magen knurrt erneut, aber diesmal vor Freude: Chris hat ihm etwas zu essen gebracht.
Chris trägt das Ganze zum Küchentisch hinüber und schafft es, alles abzustellen, ohne etwas fallen zu lassen. „Drüben ertrinken sie in Eintöpfen. Ich habe ihnen gesagt, ich wüsste da ein gutes Zuhause.“ Er stöbert ein bisschen herum. „Ich habe versucht, die guten Sachen auszusuchen.“ Dann öffnet er eine der Tüten und holt zwei Packungen Milch und eine neue Flasche Wild Turkey heraus. Die vom Vorabend ist noch nicht ganz leer, aber Chris möchte wohl vorbereitet sein.
Dan nähert sich dem Tisch. „Ist etwas dabei, das man nicht aufwärmen muss?“ Er findet eine Tupperdose mit kleinen Sandwiches und isst auf dem Weg zum Schrank eines davon. „Willst du einen Teller?“
„Ja, klar.“ Chris ist noch dabei, alles zu sortieren und entweder in den Kühlschrank oder auf die Arbeitsplatte zu stellen. Er hält eine gläserne Auflaufform hoch. „Käsemakkaroni von Tante Debbie – glaub mir, Mann, die sind fantastisch. Ich stelle sie ganz nach oben in den Kühlschrank – du kannst sie heute zum Abendessen essen. “ Als Chris das Sortieren beendet hat, nimmt er den Teller von Dan entgegen und beide nehmen sich ein paar Hände voll von den kleinen Sandwiches. Dann machen sie es sich auf dem Sofa bequem.
Eine Weile essen sie schweigend, bis Chris ein Blatt Papier aus seiner Gesäßtasche zieht. „Das ist der Ablauf. Morgen ist die Totenwache, vonvier Uhr nachmittags bis acht Uhr abends. Sie findet im Bestattungsinstitut statt – Wilsons, auf dem Broadway, beim Einkaufzentrum?“ Dan nickt ausdruckslos. Er weiß nicht genau, was eine Totenwache ist, aber den Ort wird er wohl finden können, wenn er muss. „Der Trauergottesdienst ist am nächsten Tag um eins, in der St. Andrew’s United Kirche.“ Dannickt wieder. Er weiß, dass er da hingehen muss. Der nächste Teil scheint Chris ein bisschen unangenehm zu sein. „Und dann … wollen sie ihn einäschern lassen. Ich weiß, dass du gesagt hast, es wäre dir egal, aber das wollte ich dir lieber erzählen.“
„Einäschern? Mann, sie können ihn aber auch nicht schnell genug loswerden.“ Dan glaubt, dass er das eigentlich nicht sagen wollte, aber er ist nicht ganz sicher.
Chris wirkt ein bisschen gequält. „Das ist in der Familie wohl so üblich – sie mögen einfach keine Friedhöfe.“
Dan ist das alles noch nicht ganz klar. „Und dann … was passiert mit der Asche?“
„Ich schätze, was auch immer man möchte. Man kann sie verstreuen, oder in einer Urne aufbewahren, oder so was …“
„Ich dachte, es ginge ihnen gerade darum, Justin nicht länger zu verwahren.“
Chris schaut ihn ruhig an. „Hast du tatsächlich etwas dagegen, oder zickst du nur rum?“
Dan seufzt und fährt sich mit beiden Händen durchs Haar. „Wenn ich das bloß wüsste.“ Er isst noch zwei kleine Sandwiches, bevor er sagt: „Es ist
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