Sturmrappe — Der Außenseiter (German Edition)
zwar nicht gern, schon gar nicht im Gespräch mit Jeff, aber er braucht kein Kindermädchen. „Es ist nett gemeint, danke, aber ich komme wirklich zurecht.“
Jeff klingt nicht überzeugt, aber zumindest lässt er sich von Dan abwimmeln.
Fast sofort klingelt das Handy wieder. Diesmal sind es die Archers. Dan möchte nicht abnehmen. Er denkt darüber nach, sie auf die Mailbox sprechen zu lassen; vielleicht wären sie ja genauso erleichtert, das Gespräch umgehen zu können wie er. Aber Chris hat recht – früher oder später wird er sich mit ihnen auseinandersetzen müssen, also klappt er sein Handy auf. „Hallo?“
Auf kurzes Schweigen folgt Karls Stimme: „Dan, hier ist Karl. Wie geht es dir?“
Er lässt es nicht wie eine beiläufige Frage klingen, sondern wie eine Einladung, ihm sein Herz auszuschütten. Dan spürt einen Anflug von Wut: Sein Befinden geht Karl absolut nichts an. Doch er beherrscht sich und zwingt sich zu einem sachlichen Tonfall. „Ich bin in Ordnung. Wie geht’s dir? Und Molly?“
„Uns geht es … den Umständen entsprechend gut.“ Karl klingt alt und müde, und Dan ist erneut verärgert. Diese Leute sollten nicht seine Sorge sein. Wie ist es nur dazu gekommen, dass von ihm erwartet wird, dass sie ihm wichtig sind? Doch er weiß, dass er unvernünftig ist und versucht, etwas zu sagen, das diese Gefühle nicht zeigt.
„Kann ich irgendetwas für euch tun?“
„Oh nein, Dan. Mach dir keine Gedanken.“ Wieder folgt eine kurze Pause. „Wir haben vorhin mit Chris gesprochen und er meinte, du hättest wohl keine besonderen Wünsche für den Gottesdienst. Stimmt das? Kein Lieblingsbibelvers oder Ähnliches?“
Dan unterdrückt gerade noch ein Schnauben. Hat er jemals irgendetwas gesagt oder getan, das Karl zu der Annahme veranlasst, er wüsste auch nur einen einzigen Bibelvers, ganz zu schweigen davon, dann auch noch einen zu mögen? „Ähm, nicht wirklich.“
Karl spricht weiter und Dan hat das Bedürfnis, sein Handy gegen die Stallwand zu werfen. Er fragt sich, ob Karl immer noch unter dem Einfluss von Medikamenten steht, denn das wäre eine Erklärung für das langsame Sprechen und seine offensichtliche Unfähigkeit zu akzeptieren, dass Dan das alles nicht interessiert. „Wir hatten an den dreiundzwanzigsten Psalm gedacht. Man hört ihn zwar zu oft, aber er ist wunderschön.“
„Okay.“ Dan weiß nicht, wie lange er das noch ertragen kann. „Habt ihr schon einen Zeitplan? Wisst ihr, wo es stattfindet?“
„Oh ja, der Plan muss hier irgendwo liegen …“ Er hört Papier rascheln und dann Karls Stimme, die nach jemandem ruft.
Etwas klappert, dann meldet sich Chris‘ Stimme. „Danny? Hör zu, kann ich dich zurückrufen? Hier ist gerade eine Horde von Tanten und Onkeln angekommen und es ist ein bisschen chaotisch.“
„Klar, okay“, sagt Dan und legt auf. Chris ist schon wieder bei ihnen. Chris kümmert sich um alles. Dan kämpft gegen einen Anflug von Verbitterung an und schämt sich dann. Ist es ein Wunder, dass die Archers nicht genug Vertrauen hatten, um ihn in ihre kürzlich getroffene Entscheidung mit einzubeziehen, wenn er sich so benimmt, sobald etwas Schlimmes passiert? Am Vortag ist er zusammengebrochen, und heute versteckt er sich im Stall und weigert sich, für irgendetwas Verantwortung zu übernehmen. Er beschließt, dass er Chris dankbar sein sollte. Soll er sich doch damit herumschlagen und sich mit ihnen auseinandersetzen. Molly und Chris‘ Mutter sind gute Freundinnen, also ist sie wahrscheinlich auch dabei. Die Frau hatte ihn noch nie leiden können. Sie hatte ihn mal einen „opportunistischen Herumtreiber“ genannt, als sie dachte, er könnte sie nicht hören. Und Chris kennt alle Verwandten, hat ein Talent dafür, sich all die Cousins und Großeltern zu merken, an die Dan sich gar nicht so genau erinnern möchte. Familienangelegenheiten liegen Chris, also soll er sich doch um die Familie kümmern.
Dan hilft Robyn, die verbliebenen Boxen auszumisten, bevor er sich in seine Wohnung zurückzieht. Er durchsucht die Küche nach etwas Essbarem und wünschte, dass er wirklich noch einen Geheimvorrat in einem der Schränke hätte. Er weiß, dass er einfach einkaufen gehen oder sich zumindest irgendwo etwas Fertiges mitnehmen sollte. Er weiß, dass er Jeff einfach hätte herkommen lassen sollen. Aber er fühlt sich, als hätte er sich nur so eben unter Kontrolle und Jeffs Nähe macht es ihm irgendwie schwerer, die Fassade der Gelassenheit
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