Sturmrappe — Der Außenseiter (German Edition)
nicht einmal an das erinnern kann, was von dem Zeitpunkt, an dem er sich gegen den Felsen gelehnt hat, bis zu dem, an dem er sein Gesicht in ein Waschbecken voll Wasser getaucht hat, passiert ist. „Doch, irgendwie schon“, sagt er leise.
Chris schüttelt den Kopf. „Mann, glaub mir … das musst du nicht.“ Dann leert er seine Kaffeetasse. „Ich fahr jetzt nach Hause und ziehe mir saubere Sachen an. Ich werde Karl und Molly von da aus anrufen und ihnen sagen, dass dir das mit der Trauerfeier egal ist … wenn du dir da sicher bist?“
Dan schüttelt den Kopf. „Ich war noch nie bei einer Beerdigung. Und … außerdem ist das nicht Justin.“ Er spürt wieder Tränen in seinen Augen, aber nicht so wie gestern. Diesmal fühlt er sich nicht, als würde er am Rande eines Abgrunds stehen. „Ich meine … wenn ich mich an Justin erinnere, stelle ich ihn mir draußen vor, wie wir hinten durch die Hügel um die Wette geritten oder im Teich geschwommen sind, oder …“ Es dauert einen Moment, bis er seine Stimme wiederfindet, und dann grinst er durch die Tränen hindurch. „Entweder das oder im Bett. Und ich glaube wirklich nicht, dass irgendwas davon in einen Trauergottesdienst gehört, oder?“
Chris grinst ein bisschen und sagt: „Üblicherweise wohl nicht. “ Er nickt verständnisvoll und geht zur Tür, aber als er dort ankommt, dreht er sich um. „Hey, Danny?“ Dan schaut zu ihm auf und Chris sagt: „Justin war mein ganzes Leben lang mein bester Freund, vierunddreißig Jahre lang.“ Dan nickt und Chris fährt mit leiser, rauer Stimme fort: „Aber trotz der langen Zeit, wenn ich an Justin zurückdenke … sehe ich ihn immer mit dir.“ Chris wendet sich ab und geht die Treppe hinunter, während Dan in der Wohnung zurückbleibt und darüber nachdenkt, wie viel er verloren hat, aber auch darüber, wie viel ihm geblieben ist.
Kapitel 14
I RGENDWANN geht Dan doch hinunter und stellt fest, dass es tatsächlich Robyn ist, die die Stallarbeit macht. Ihre Augen werden ein bisschen feucht, als sie ihn sieht, aber sie begnügt sich mit einer Umarmung, und dann lenken sich beide mit den Pferden ab. Zum ersten Mal in seinem Leben ist Dan nicht nach Reiten zumute, aber da er beschäftigt bleiben und sich nützlich machen möchte, longiert er an einem Ende des Dressurplatzes einige der jungen Pferde. Er fühlt sich wohler dabei, mit ihnen zu arbeiten, als mit den älteren Pferden, die er zusammen mit Justin ausgebildet hatte.
Um die Mittagszeit herum klingelt sein Handy und das Display zeigt das Brown Hotel, in dem Jeff gewohnt hatte, als er das letzte Mal in der Stadt war. Dan klappt das Handy auf.
„Hallo?“
„Hey, Kleiner, hier ist Jeff.“ Dan fragt sich, ob er das Opfer eines Pawlowschen Reflexes ist: Eine Zeit lang hatte er bei Jeffs Stimme automatisch an Sex gedacht, aber jetzt weckt sie in ihm nur das Bedürfnis, zu weinen.
„Hey Jeff, wie geht’s?“
„Mir geht’s gut.“ Er klingt ein bisschen verhalten. „Und was ist mit dir?“
Dan versucht, seine Stimme unbeschwert klingen zu lassen: „Verkatert und auch sonst total am Ende, aber naja … das wird schon wieder. Und das mit gestern tut mir wirklich leid. Ich habe … ich habe eigentlich keine Entschuldigung dafür.“
„Dan, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Kein Problem.“
Dans Lachen ist ein bisschen bitter. „Klar, im glücklichen Kaminskiland passiert so was bestimmt jeden Tag.“
„Vorsicht, Dan … vergiss nicht: Sie haben auch jemanden verloren.“
Dan fühlt sich augenblicklich furchtbar. „Scheiße, ich weiß, tut mir leid. Ich bin nur … ich weiß nicht. Sorry.“ Er sucht nach Stoff für einen Themenwechsel: „Also, ich habe gerade Kip longiert, und er scheint keine Probleme mehr zu haben. Zumindest müssen wir uns jetzt keine Sorgen mehr machen, wie wir ein lahmes Pferd nach Kalifornien transportieren sollen. “
„Ja, das ist gut. Hör zu, ich dachte, ich könnte mal rausfahren und mir die Pferde ansehen. Bist du gerade da? Ich könnte was zu essen mitbringen.“
Dan hält das für keine gute Idee. Er hat sich gerade so einen schönen Plan zur Ablenkung zurechtgelegt, und Jeff würde da nur stören. Jeff würde ihn dazu bringen, wieder zu fühlen. „Oh, danke Mann, aber ich habe schon gegessen.“
„Oh … ich habe vorhin mit Chris gesprochen und er meinte, du hättest nicht viel im Kühlschrank.“
Also erstattet Chris neuerdings Jeff Bericht? „Ich hatte noch was in den Schränken.“ Dan lügt
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