Sturmrappe — Der Außenseiter (German Edition)
wahrscheinlich nicht schlimmer, als ihn unter der Erde zu haben, oder? Ich meine, so oder so …“ Dan ist stolz, dass er das alles gesagt hat, ohne zu weinen. Es ist leichter, gereizt zu reagieren, als ehrlich zu sein, aber Chris macht sich viel Mühe und hat es verdient, dass Dan sein Bestes gibt.
„Okay, ich sag es ihnen … aber, Dan … morgen ist die Totenwache und die ist ziemlich öffentlich. Willst du da wirklich zum ersten Mal Karl und Molly wiedertreffen, oder willst du lieber jetzt mit mir zum Haus rüberkommen?“
„Muss ich zu der Totenwache gehen?“
Chris wirkt überrascht. „Eigentlich schon. Ich glaube, Karl und Molly wollten, dass du neben ihnen stehst.“
„Neben ihnen stehen? Chris, was ist eine Totenwache überhaupt? Und dauert die wirklich vier Stunden?“ So langsam wünscht sich Dan, er hätte ein bisschen mehr Erfahrung mit Beerdigungen.
Chris schnaubt. „Fühlt sich normalerweise eher wie vier Jahre an. Es soll eine Gelegenheit sein, jemandem die letzte Ehre zu erweisen und der Familie ihr Beileid auszusprechen.“ Chris kratzt sich an der Nase. „Normalerweise steht der Sarg dort, damit die Leute sich von Justin verabschieden können, und dann gehen sie der Reihe nach an den Angehörigen vorbei und sprechen ihr Beileid aus. Ich weiß nicht. Ich war schon bei Totenwachen, die nicht so förmlich waren, eher eine Zusammenkunft von Freunden und Bekannten des Verstorbenen. Es soll eine Gelegenheit für ein persönliches Gespräch sein.“
„Ich soll persönliche Gespräche mit Justins Familie führen? Worüber?“
„Hauptsächlich über Justin. Aber ehrlich gesagt, so wie Molly sich das vorstellt, wird sowieso so gut wie die ganze Familie in der Empfangsreihe stehen, also wirst du nicht viel mit ihnen reden müssen.“
In Dans Kopf dreht sich alles. „Okay, warte, noch mal langsam … wann bin ich da? Um vier?“
„Wohl besser ein bisschen früher. Ich kann dich mitnehmen, wenn du willst.“
„Okay, und was dann?“
„Dann stellst du dich mit dem Rest der Familie in eine Reihe und kommst dir dumm vor, während Leute an dir vorbeigehen und freundliche Sachen sagen.“
Dan versucht, seine Gedanken zu ordnen, dann schüttelt er den Kopf. „Aber ich gehöre nicht zur Familie. Was soll ich da? Musst du das machen?“
Chris lächelt sanft. „Karl hat mich gefragt, aber ich habe ihm gesagt, dass ich als Helfer im Hintergrund nützlicher wäre. Und mit Familie sind nicht Blutsverwandte gemeint, sondern die Menschen, denen er wichtig war.“
„Aber warum musst du es dann nicht machen?“ So langsam gerät Dan in Panik. Er dachte, die Beerdigung würde schlimm werden, aber das klingt noch tausend Mal schlimmer.
„Dan, beruhige dich. Du musst überhaupt nichts machen. Es ist nur – du warst lange mit Justin zusammen. Die Leute kennen dich. Und du kennst sie. Sie werden erwarten, dass du dort bist.“ Chris unterbricht sich und scheint nach weiteren Möglichkeiten zu suchen, Dan zu überzeugen. „Wahrscheinlich kommen viele Leute, die mit Pferden zu tun haben. Justin war hier ziemlich berühmt – die Menschen werden sich verabschieden wollen. Du kannst einfach mit ihnen fachsimpeln.“
„Vier Stunden lang?“ Dans Mund ist trocken.
„Vielleicht eine Minute mit jedem. Und du kannst zwischendurch Pausen machen. Hör zu, ich will nicht sagen, dass es Spaß machen wird, aber vielleicht wirst du froh sein, es getan zu haben – es kann einem bewusst machen, wie viele Leute trauern.“
„Oh Gott.“
„Danach ist die Beerdigung nicht mehr schlimm – hilft das?“
„Nein, du sadistischer Mistkerl, das hilft überhaupt nicht!“ Dan ist irgendwo zwischen Lachen und Weinen und hat das Gefühl, gerade ein wenig den Verstand zu verlieren. Er sieht auf dem Tisch die Flasche Wild Turkey vom Vorabend stehen. Er überlegt kurz, dann greift er danach, öffnet sie und nimmt einen Schluck. Es brennt, aber er wartet einen Moment und nimmt dann noch einen Schluck. . Er hält die Flasche Chris hin, der kurz nachdenkt, dann aufsteht und aus der Küche zwei Gläser holt. Jetzt, wo das Brennen in Hals und Magen zu einem warmen Glühen übergeht, fühlt Dan sich schon besser, aber er nimmt das Glas, das Chris ihm eingießt, trotzdem an.
„Kann ich mich dafür betrinken?“
Chris grinst. „Du solltest vielleicht nicht gleich umkippen, aber ich wette, dass die Hälfte der Leute einen Flachmann dabei hat.“
„Kann ich mich danach betrinken?“
„Ich weiß nicht. Willst du bei der
Weitere Kostenlose Bücher