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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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ausweichen, die ihren Weg kreuzten, und gelangte unter Glockenläuten auf einen Marktplatz, der ganz anders aussah als der in Stralsund.
    Auch hier merkte sie, dass der Krieg Schweden noch nicht direkt berührt hatte. Die Menschen wirkten wesentlich fröhlicher und die Stände waren bunter. Fantastische Gerüche überdeckten den allgegenwärtigen Gestank. So duftete es aus einer Ecke nach Backwerk, aus der anderen nach Gewürzen und aus einer weiteren nach Parfüm. Hähne krähten, Schweine quiekten und dazwischen meckerten Ziegen.
    Anneke mischte sich unter die Menschen. Zu gern hätte sie verstanden, was sie redeten. Das Feilschen um die Ware verstand sie anhand der Gesten, hier und da kam ihr auch ein Wort bekannt vor, aber das alles reichte natürlich nicht, um zu verstehen, worum es ging.
    Wie sehr wünschte sie, dass Marte jetzt bei ihr wäre! Sie verstand zwar auch kein Schwedisch, hätte aber mit ihr gemeinsam über das, was es zu sehen gab, staunen und den Krieg vergessen können. Sehnsucht nach der Freundin machte sich plötzlich in ihr breit und gleichzeitig setzte Heimweh ein.
    Der Anblick eines Bauern, der Hühner feilbot, machte ihre Brust eng.
    Sie lief hier über einen gut bestückten Markt und zu Hause litten die Menschen Angst und vielleicht Hunger wegen der Besatzung. Das schlechte Gewissen packte sie wie mit Wolfszähnen und trieb sie vom Markt fort. Das bunte Bild der überladenen Stände und die vielfältigen Düfte blieb dennoch in ihrem Sinn.
    Bei ihrer Rückkehr ins Kaufmannshaus schien alles wie immer zu sein. Sie bekam ihre Mahlzeit bei den Mägden und schaufelte die Grütze und das Wurzelgemüse schweigend in sich hinein. Zwischendurch fragte sie sich, ob sie Greta wohl von ihrem Spaziergang erzählen konnte, doch sie beschloss, dass es noch zu früh war, der Magd zu vertrauen.
    Auf dem Weg zur Kammer stellte sich ihr plötzlich Magdalena in den Weg. Einem Kastenteufel gleich schnellte sie hinter der Treppe vor. Wie immer trug sie ein prachtvoll schillerndes Gewand und ihre Haare waren kunstvoll frisiert. Das an ihrer Wange klebende farbige Zuckerwerk nahm ihrem Auftritt wenigstens ein bisschen Würde.
    »He, Hurenkind, wo warst du denn?«, zischte sie boshaft.
    Anneke presste die Lippen zusammen, sodass ihr Atem schnaubend durch die Nase entwich. Magdalena musterte sie prüfend, in der Hoffnung, dass sie erneut zu weinen begann. Aber diesmal schaffte es Anneke, sich zusammenzunehmen. Der Hass auf ihre blasierte Cousine ließ die Tränen verdampfen, bevor sie ihr die Wangen hinunterkullern konnten.
    »Das geht dich gar nichts an«, gab sie zurück, und als Magdalena den Mund zu einer Erwiderung öffnete, setzte sie rasch hinzu: »Außerdem seid ihr doch froh, wenn ich euch nicht unter die Augen komme! Also, warum willst du es denn wissen?«
    »Meine Mutter wird nicht dulden, dass du dich herumtreibst«, giftete Magdalena weiter. »Du hast keine Ahnung, was dich erwartet, wenn sie dich dabei erwischt.« Ihre Augen wurden schmal und ein überlegenes Lächeln zog ihren Mund in die Breite.
    »Willst du mir drohen?«, antwortete Anneke so unerschrocken wie möglich. Sie war sich darüber im Klaren, dass Magdalena eine Feindin war, gegen die sie nur wenig ausrichten konnte. Nachgeben kam für sie aber dennoch nicht in Frage.
    »Ich will dich nur warnen«, sagte ihre Cousine nun gespielt gönnerhaft. »Kommst du eines Abends nicht zur rechten Zeit heim, wird es schlecht für dich ausgehen. Meine Mutter macht mit deinesgleichen nicht langes Federlesen.«
    »Meinesgleichen?«, fragte Anneke und auf einmal überkam sie die große Lust, Magdalena eine von ihren sorgsam mit dem Brenneisen ondulierten Locken herauszureißen. Am liebsten die an der Schläfe, wo es am meisten schmerzte. »Was meinst du mit meinesgleichen? Du hast dasselbe Blut in den Adern wie ich! Wie kannst du auf mich herabsehen, wo wir verwandt sind?«
    Magdalena machte ihr jedoch deutlich, dass sie sich auf einen Streit mit ihr nicht einlassen würde. »Leg dich nicht mit mir an, rate ich dir!«, zischte sie und ließ sie dann einfach stehen.
    *
    Magdalenas Drohung machte den Aufenthalt im Kaufmannshaus noch unangenehmer. Wenn Anneke auf sie traf, funkelten sich die beiden gegenseitig an, und es entstand der Eindruck, dass die Luft zwischen ihnen voll Schwarzpulver war, das auf einen Funken wartete, um sich zu entzünden.
    Glücklicherweise steckte Frieda Bollerstrue so tief in den Vorbereitungen zur Hochzeit, dass sie es nicht

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