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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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umwandte, sah sie, dass einer der Stämme ins Rutschen kam. Zunächst glaubte sie, dass er gleich wieder zum Stillstand kommen würde, doch er bewegte sich weiter, rollte schließlich und riss andere Stämme mit.
    Geistesgegenwärtig fasste sie Ingmars Hand und zerrte ihn mit sich, ohne etwas zu sagen.
    Der Junge begriff, was das zu bedeuten hatte, und rannte zusammen mit ihr los.
    Hinter ihnen polterten die Holzstämme mit lautem Getöse vom Stapel. Als sie unten aufkamen, bebte der Boden unter Annekes und Ingmars Füßen. Damit war es aber noch nicht vorbei. Die Stämme rollten weiter und walzten alles über den Haufen, was ihnen in die Quere kam.
    Eine leere Schubkarre wurde ebenso zerschmettert wie die Sägebank, an der glücklicherweise niemand stand.
    Als das Holz den beiden gefährlich nahekam, fasste Ingmar Anneke bei der Hüfte und sprang mit ihr beherzt zur Seite. Beide verloren das Gleichgewicht und landeten im Schmutz. Einer der Stämme verfehlte nur um Haaresbreite ihre Beine. Hätte er sie getroffen, hätte er die Knochen wohl entzweigebrochen wie trockene Strohhalme.
    Schließlich fiel der gesamte Stapel in sich zusammen.
    Als der letzte Stamm ausgerollt war, legte sich eine gespenstische Stille über den Platz.
    Erst jetzt bemerkte Anneke, dass sie keuchte. Das Blut pulste heftig in ihren Schläfen, überall in ihrem Körper pochte es schmerzhaft. Dass sie nur haarscharf neben einer Pfütze gelandet waren, fiel ihr erst auf, als sie wieder auf die Beine kam.
    »Schöne Bescherung«, bemerkte Ingmar, nachdem er sich ebenfalls wieder aufgerichtet hatte. »Das wird gleich ein Donnerwetter geben. Vielleicht sollten wir zu zählen anfangen. Ich sage dir, ehe wir die Zwanzig erreichen, wird die Halle voller Leute sein, und dann heißt es Kopf einziehen.«
    Anneke wollte gerade vorschlagen, dass es vielleicht besser wäre, zu verschwinden. Doch da hatten sich die ersten Arbeiter in der Nähe von dem Schrecken wieder erholt und liefen zu ihnen.
    »Oh, diesmal wären wir nicht mal bis zwanzig gekommen«, stellte Ingmar trocken fest und zupfte an seinen schmutzigen Kleidern, als hätte der Staub jetzt noch irgendeine Bedeutung.
    Kurze Zeit später drängte sich ein hochgewachsener Mann durch die Zuschauer. Er hatte einen wilden Haarschopf, von dem man auf den ersten Blick nicht sagen konnte, ob er hellblond oder weiß war. Das Gesicht darunter glühte puterrot und ließ seine hellen Augenbrauen sowie seine blauen Pupillen deutlich hervortreten.
    »Vad fan har ni gjort?«, fuhr er Ingmar an und warf dem Mädchen an dessen Seite einen bösen Blick zu.
    »Verdammt, der Sägemeister«, murmelte der Junge, der die Worte, die Anneke fremd waren, natürlich verstanden hatte.
    »Nichts«, antwortete er dem aufgebrachten Mann auf Schwedisch. »Wir sind nur an dem Stapel vorbeigegangen, da geriet das Holz plötzlich ins Rutschen.«
    »Unsinn!«, entgegnete der Mann. »Das Holz ist so gut gesichert, dass es nicht einfach herunterfällt, wenn es ein Windzug streift.«
    »Ihr wollt doch nicht behaupten, dass mein Sohn lügt, Meister Hansen«, übertönte plötzlich eine Stimme das Gemurmel. Im nächsten Augenblick trat Ingmars Vater nach vorn.
    Der Junge beugte sich näher zu Anneke und übersetzte in Windeseile, was die Männer miteinander sprachen.
    »Er und das Mädchen haben gewiss nicht die Kraft, den Holzstapel willentlich zum Einstürzen zu bringen«, fügte Ingmars Vater seiner Verteidigung hinzu.
    »Sie könnten darauf herumgeklettert sein«, wandte der Sägemeister ein.
    Ingmar schüttelte den Kopf, war sich aber nicht sicher, ob sein Vater das gesehen hatte.
    »Wären sie auf dem Holz herumgeklettert, hätten die Stämme sie erschlagen«, hielt Svensson dagegen. »Nachlässigkeit beim Aufstapeln könnte aber sehr wohl die Ursache sein.«
    Die Augen des Sägemeisters wurden zu schmalen Schlitzen. Den Vorwurf der Nachlässigkeit wollte er nicht auf sich sitzen lassen.
    »Meine Leute arbeiten nicht schludrig, dafür stehe ich persönlich ein!«
    »Und doch ist das Holz herabgefallen«, entgegnete Ingmars Vater, doch man konnte ihm anhören, dass er nicht darauf aus war, einen Streit mit dem Sägemeister vom Zaun zu brechen. »Aber solltet Ihr Eure Männer nicht anhalten, es wieder aufzuschichten? Vom Reden werden die Stämme ganz gewiss nicht wieder auf den Stapel kommen.«
    Vereinzeltes Gelächter ertönte. Wahrscheinlich kam es aus den Reihen der Männer, die nicht in den Sägehallen beschäftigt waren. Die

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