Sturmtosen - Peeler, N: Sturmtosen - Tempest's Legacy (Jane True) Book 3
ihn altern zu sehen.«
Wir saßen eine Weile schweigend nebeneinander.
»Es überrascht mich, dass du Carls Entscheidung für so radikal hältst, nach dem, wie du auf Jasons Tod reagiert hast«, sagte Anyan schließlich behutsam.
Ich dachte darüber nach. Es hatte keinen Zweck, meine dramatische Reaktion auf Jasons Tod herunterzuspielen. Schließlich hatte Anyan mich sogar in der Klinik besucht. Er hatte mich fixiert daliegen gesehen und auch die Wunden und Stiche, die ich mir während meiner diversen Selbstmordversuche zugefügt hatte.
»Vor allem war ich nicht ich selbst«, sagte ich. Anyan runzelte die Stirn, aber ich ließ mich nicht beirren. »Im Ernst, Anyan, ich war wirklich verrückt. Ich glaube, bei Jasons Tod war es so, als breche ein Damm. Sein Tod war schlimm genug, aber er hatte mir bisher immer geholfen, alles andere zusammenzuhalten. Die Gefühle meiner Mutter gegenüber, die Sorge wegen der Krankheit meines Vaters, und dass ich mich immer so fehl am Platz fühlte und … alles eben. Er war nicht bloß mein Freund oder mein Partner, er war mein Prozac. Ohne ihn bin ich einfach … abgestürzt. Aber das Gute an allem, was passiert ist«, fuhr ich fort und versuchte wieder die praktisch denkende Jane zu sein, denn die war viel angenehmer als die »Spül dich doch gleich selbst im Klo runter«-Jane, »war, dass ich trotzdem nicht wieder die Kontrolle verloren habe. Ich meine, ich habe mich sogar gegen dich und Ryu durchgesetzt …« Der Barghest knurrte zustimmend, was mich zu einem kleinen Lächeln veranlasste. »… aber ich bin deshalb noch lange nicht durchgedreht. Das ist doch nicht schlecht.«
Anyan lächelte bei meinen Worten. Ich konnte sein markantes Profil gut im Schein der Straßenlaternen sehen. Sein Gesicht hatte so viel Charakter, dass ich ihn stundenlang hätte ansehen können.
»Du bist bemerkenswert wenig durchgedreht, Jane«, brummte er schließlich. »Du bist so stark, du solltest dir selbst mehr zutrauen.«
Ich schnaubte. »Stärke ist, wenn man das tut, was Carl getan hat. Ich habe bloß reagiert. Er hat eine Entscheidung getroffen: eine große, schwere, alles verschlingende Entscheidung, die jeden Aspekt seines Lebens betrifft. Das ist Stärke.«
Daraufhin schwieg Anyan. Und als er schließlich doch den Mund aufmachte, klang seine für gewöhnlich schon raue Stimme noch etwas rauer. »Nein, das ist Liebe. Manchen von uns gibt sie den Mut, aus großer Höhe springen. Und andere zerquetscht sie einfach.«
Und dann verstummte er wieder.
Ich saß neben ihm, und die zugegebenermaßen mit ziemlich viel Bier geölten Räder in meinem Gehirn fingen an zu rattern.
Was ist nur mit Anyan los? , fragte ich mich. Und was für ein Problem hat er bloß mit der Liebe?
Und warum will ich plötzlich noch was trinken?
Ich grübelte gerade über diese Mysterien nach, als plötzlich mein Telefon klingelte. Ich zog es aus meiner Tasche und warf einen Blick aufs Display. Es war Amy, unsere Nahual-Kellnerin aus Rockabill.
»Hey, Amy!«, sagte ich, aber ich wurde unterbrochen, noch bevor ich sie irgendetwas fragen konnte.
»Jane? Iris ist verschwunden.«
»Was?«, rief ich und setzte mich kerzengerade auf, als mein Körper von eiskaltem Schrecken erfasst wurde.
»Iris ist verschwunden. Sie ist seit Tagen nicht mehr ans Telefon gegangen, also bin ich zu ihrer Wohnung gefahren. Es ist eingebrochen worden, und es muss ein Kampf stattgefunden haben. Und jetzt ist sie verschwunden.«
»Oh mein Gott …«
»Kannst du gleich herkommen? Und Ryu und Anyan mitbringen?«
»Natürlich. Wir kommen so schnell wie möglich.«
»Gut. Jane, ich habe solche Angst …«
»Wir sind bald da. Geh zu mir. Bleib so lange bei Nell und meinem Dad.«
»Okay, das mache ich. Kommt schnell, bitte.«
»Alles klar. Tschüss.«
Ich klappte mein Handy zu und wusste, dass Anyan mit seinem scharfen Gehör alles erfasst hatte. Als ich ihn ansah, war sein Blick starr vor Wut.
Ich hielt zitternd mein Handy umklammert. Anyans einziger Kommentar dazu war, dass er die Hand nach mir ausstreckte und mich an sich zog. Ich schmiegte mich an seinen festen Körper und wollte einfach nicht begreifen, dass Iris verschwunden war.
Alles, was ich fühlte, war nackte Angst.
I ris’ normalerweise ordentliche und gemütliche Wohnungwar ein einziges Schlachtfeld. Die Möbel waren umgestoßen worden, die Polster zerfetzt. Magiekugeln hatten die cremefarbenen Wände versengt, und die großen, gerahmten Kunstdrucke von
Weitere Kostenlose Bücher