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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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geben.«

ROXANE

    Unbewegt stand Roxane mit gesenktem Haupt auf dem Achterdeck. Die Sonne brannte heiß vom Himmel, und in ihrer Uniform war der jungen Offizierin heiß. Ihr Rücken war den Strahlen direkt ausgesetzt, und der dunkle Stoff heizte sich unangenehm auf.
    Auf dem Hauptdeck stand ein Teil der Besatzung im Halbkreis um den Caserdote, der seine wöchentliche Andacht hielt. Seine Stimme war stark und fest und erreichte beinahe das ganze Schiff: »Wir gedenken Corbans, des Geschenks der Einheit, der sich als Einziger der Willkür der Nigromanten entgegenstellte. Sein Leib war von der Einheit gegen ihre Macht gefeit, und sein Wille brach ihre Zauber. Wir gedenken seiner Getreuen, die sein Wort in die Welt trugen, als er in seiner dunkelsten Stunde daniederlag. Möge die Einheit uns vor der Rückkehr der Tyrannei schützen. Möge die Einheit unsere Königin Morwey schützen. Möge die Einheit unser Vaterland vor seinen Feinden schützen.«
    »Danket der Einheit«, erwiderte der Chor der Zuhörer.
    »Wir stehen hier an Bord dieses mächtigen Schiffes, um unseren Feinden Einhalt zu gebieten. Möge die Einheit mit uns sein.«
    »Danket der Einheit.«
    »Weiht euch und euer Leben der Einheit«, schloss der Caserdote mit den traditionellen Worten und verneigte sich. Die Seeleute taten es ihm gleich und zerstreuten sich dann. Auch Roxane hob ihren Kopf wieder und warf einen schnellen Blick auf die Besegelung. Alles schien in bester Ordnung zu sein, wie sie zufrieden feststellte.
    »Ah, Leutnant«, rief Sellisher fröhlich, als er die Stufen zum Achterdeck hinaufkam. »Wie ich bemerke, haben Sie der Andacht gelauscht.«
    »Natürlich, Thay. Leider hielten mich meine Pflichten auf meinem Posten, sodass ich mehr gehört als gesehen habe.«
    »Sie dienen der Einheit am besten, wenn Sie Ihre Pflicht gegenüber Königin und Vaterland erfüllen, Thay«, erwiderte Sellisher aufgeräumt. Insgeheim rechnete Roxane mit einer Strafpredigt, da sie – entgegen ihrem Versprechen – bislang noch keinem der Gottesdienste beigewohnt hatte. Doch der Caserdote schien dieses Versäumnis nicht erwähnen zu wollen.
    »Haben Ihre gemeinsamen Untersuchungen mit dem Maestre eigentlich etwas ergeben?«, wechselte die junge Offizierin schnell das Thema.
    »Einiges. Zum Beispiel, dass es mir an Geduld mangelt, um Coenrad längerfristig zu ertragen.«
    Obwohl sie sich bemühte, ihr Amüsement zu verbergen, musste Roxane schmunzeln.
    »Sonst nichts?«
    »Wenig mehr, als wir auch schon zuvor wussten. Das Zentrum des Sturms lag irgendwo im Westen, in der Sturmwelt oder vielleicht sogar jenseits davon.«
    »Jenseits? Mir war nicht bekannt, dass eine der Expeditionen dorthin bislang überhaupt Land entdeckt hätte.«
    »Nun, das muss nichts bedeuten. Wir wissen nicht, was diesen Sturm ausgelöst hat, ob es an Land oder zur See geschah. Tatsächlich wissen wir erstaunlich wenig.«
    »Wie geht es dem Maestre?«, erkundigte sich Roxane, die Groferton seit einigen Tagen nicht mehr gesehen hatte. Hin und wieder ließ der Caserdote ihm Essen in die Kajüte bringen, doch offensichtlich mangelte es dem Maestre an Appetit.
    »Er hat sich sehr angestrengt und ist nun ausgelaugt. Die Macht, die er benutzt, fordert ihren Tribut. Er hat zu viel Vigoris in zu kurzer Zeit durch seinen Körper geleitet.«
    »Das tut mir leid.«
    »Das muss es nicht. Er schien mir dabei recht glücklich zu sein. Angeblich wird durch eine solche Anwendung des Arsanums auch Ekstase ausgelöst. Sie haben sicherlich diese Geschichten von den Ausschweifungen in den Zeiten der Nigromantenkaiser gehört?«
    »Ja«, gestand Roxane. »Aber ich muss sagen, dass ich diese Überlieferungen doch eher in das Reich der Legenden eingeordnet habe. Mir war nicht bewusst, dass es tatsächlich passiert.«
    »Es gibt gute Gründe, warum der Einsatz der Magie in allen zivilisierten Ländern strikt reglementiert wird. Selbst die heidnischen Zaubermoguln im Osten unterziehen sich gewissen Riten, um diese stets präsente Gefahr zu bannen«, erklärte Sellisher ernst. Es klang in Roxanes Ohren wie ein geübter Vortrag, so als ob er diese Worte nicht zum ersten Mal mit dieser Eindringlichkeit sprach.
    »Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich bislang wenig mit der Theorie des Arsanums beschäftigt habe, Thay«, erwiderte sie vorsichtig.
    »Das ist natürlich auch keinesfalls Ihre Aufgabe, Thay. Sie sind Offizierin der Marine; hier liegen Ihre Pflichten und Ihre von der Einheit gewollten Aufgaben.

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