Sturmwelten 01
hinaus.«
Mit schnellen Schritten lief Jaquento unter Deck und öffnete die Tür zu seiner Kammer, wo Sinosh aufgeregt zischend mit den Klauen an der Wand kratzte. Sein Schuppenkleid war leuchtend rot, und er hatte seinen Kragen weit gespreizt. Die goldenen Augen funkelten Jaquento vorwurfsvoll an, und als er mit beruhigenden Lauten näher trat, wich Sinosh zurück und wandte sich ab.
»Ganz ruhig«, erklärte Jaquento. »Du konntest nicht mitkommen. Wir sind so schon auffällig genug, Sinosh.«
Doch die Echse war offenkundig nicht bereit, ihre Verärgerung so schnell zu vergessen, obwohl ihre Farbe langsam dunkler wurde. Ohne den jungen Hiscadi eines Blickes zu würdigen, huschte sie aus der Kammer und lief die Treppe zum Deck empor. Kopfschüttelnd folgte ihr Jaquento. Launisches Mistvieh.
Oben angekommen, wurde er Zeuge eines bizarren Gesprächs, denn Ayvon stand neben Bihrâd und deutete auf die Kratzwunde: »Die Bestie hat dich gezeichnet.«
»Nur ein Kratzer«, erwiderte der Arzt missmutig.
»Ich würde dir ja helfen, aber leider geht das ja nicht«, erklärte der Magier schulterzuckend und sprang pfeifend die Stufen zum Achterdeck hinauf.
»Wieso kann er dir nicht helfen?«, erkundigte sich Jaquento neugierig, während er sich nach Sinosh umsah, der jedoch nirgends zu entdecken war.
»Ich trinke seine Magie«, erläuterte Bihrâd in seinem singenden Tonfall. »Wie … wie einer eurer Caserdotes.«
»Du neutralisierst Magie? Ich wusste nicht, dass du diese Gabe hast!«
Unbestimmt deutete Bihrâd auf sein Gesicht: »Die Schriften auf mir verkünden es. Als Warnung für alle.«
»Ich kann die Schrift nicht lesen«, gestand Jaquento. »Ich kenne dein Volk und sein Wissen nur wenig.«
»Es ist Tradition. Seit langer Zeit. Nicht nur euer Corban trank Magie, auch in meiner Heimat gab es die Magietrinker, als alles Land unter dem Himmel noch eins für uns war. Ihr Erscheinen hat das Reich gespalten. Seitdem zeichnet mein Volk jene wie mich, damit jeder Mann und jede Frau sehen kann, wer ihnen begegnet.«
Stumm betrachtete Jaquento den Mann. Bislang hatte er die seltsamen Hautbilder nur als bizarre Tradition abgetan, doch jetzt sah er sie mit anderen Augen. Was zuvor wie sinnlos angeordnete, wellige Linien und Punkte erschienen war, wirkte jetzt tatsächlich wie Schriftzeichen, als hätten die Tätowierungen sich mit dem Wissen verändert.
»Seid ihr auch Priester in eurer Heimat?«
Mit einem müden Lächeln schüttelte Bihrâd den Kopf.
»Nein. Die Zeichen sind eine Warnung. Als solche wie ich kamen, zerbrach das Reich. Magie hielt es nicht länger zusammen. In meiner Heimat sind wir nicht wohl gelitten. Im Osten …«
Seine Stimme wurde leise. Fragend blickte Jaquento ihn an.
»Im Osten«, fuhr der Maureske fort, »werden schon die Kinder so gezeichnet und aus den Ländern vertrieben. Oder getötet.«
»Getötet? Dort werden Kinder einfach getötet, wegen dessen, was sie nun einmal sind? Das ist barbarisch!«
»Sie sind eine Gefahr. Die uralten Schriften lehren uns, dass die Magie von den Sternen stammt, das Gegenteil jedoch von Daemonen der Leere, die zwischen den Sternen hausen und Licht und Magie trinken. Es ist keine Gabe, sondern ein Fluch!«
»Du denkst, dass du verflucht wurdest? Von den dreizehn Höllen?«
»Fünfzehn Höllen«, berichtigte Bihrâd trocken und nickte. »Magie erleichtert das Leben, sie erschafft Großes und Mächtiges. Doch Magietrinker wie ich zerstören das alles. Mein Fluch erschafft nichts. Er vernichtet nur!«
Die Heftigkeit des Ausbruchs ließ Jaquento zurückschrecken. Die Sichtweise des Mauresken war ihm fremd; sein ganzes Leben lang hatte er die Geschenke der Einheit als solche akzeptiert und sie niemals infrage gestellt. Dass Bihrâd seine eigenen Fähigkeiten derart verdammte, wunderte ihn.
Ein bekanntes Kratzen am Bein ließ ihn hinuntersehen. Geschickt kletterte Sinosh am Stoff seiner Hose empor und weiter bis auf die Schulter, als ob nie etwas gewesen wäre. Seine Schuppen waren von sattem Gelb, und er machte es sich sogleich gemütlich.
»Es tut mir leid, dass du damit gestraft bist«, erklärte Jaquento und war sich dabei nicht sicher, ob er die Fähigkeit oder den Glauben des Mauresken meinte.
»Jeder trägt sein Schicksal«, erwiderte Bihrâd mit einem unergründlichen Blick, der Jaquento schaudern ließ. Für einige Herzschläge sah er in die dunklen Augen des Mannes, und alle Wärme verschwand aus seinem Körper, als die Bedeutung der Worte ihn
Weitere Kostenlose Bücher