Sturmwelten 01
Stock in den Allerwertesten gesteckt hätte.«
Das Bild ließ Jaquento schmunzeln, auch wenn er den Allerwertesten des Leutnants eher in angenehmer Erinnerung hatte.
»Ja, Frauen in Uniform«, erwiderte er grinsend. »Das gibt es nur in Thaynric.«
»Vielleicht der Grund, warum sie sich als Einzige dem géronaischen Ehrgeiz entziehen konnten?«
Auf diese Art und Weise hatte Jaquento das noch nie betrachtet. Seit Langem schon dienten in der Armee und Marine von Thaynric Frauen – ein Umstand, der in seiner Heimat und vor allem im benachbarten Géronay stets Erheiterung und Spott hervorgerufen hatte. Er kannte all die Karikaturen in den Zeitungen, die bissigen Kommentare, und hatte sich noch nie wirklich Gedanken darüber gemacht.
Aber die Thayns hatten erreicht, was anderen Nationen verwehrt geblieben war, die ihr Knie vor dem König von Géronay und seinen anscheinend unbesiegbaren Armeen beugen mussten: Sie hatten ihre Freiheit und Unabhängigkeit verteidigt, selbst jetzt noch, da fast ganz Corbane von Géronay unterworfen war. Und dabei ist Thaynric ein kleines Land, eine Handvoll Inseln, mehr nicht. Mit viel weniger Einwohnern als allein Géronay, geschweige denn das fast gänzlich eroberte Corbane. Möglicherweise sollten die Hiscadi weniger über die Thayns lachen.
»Der Name der Fregatte sagt mir nichts – Mantikor . Muss neu in diesen Gewässern sein«, unterbrach Pertiz seine Gedankengänge.
»Kennst du alle Kriegsschiffe in der Sturmwelt?«
»Nein, aber auf die Fregatten muss man aufpassen. Die Linienschiffe sind langsam und behäbig und zu teuer für die Jagd auf Piraten. Fregatten sind schneller und haben weniger Tiefgang. Es sind ideale Piratenjäger. Wir hatten Pech, dass wir sie hier getroffen haben, aber auch Glück, dass du so beredt bist«, erklärte Pertiz bestens gelaunt. »Deine Geschichte war ziemlich gewieft!«
»Ich dachte, du würdest ihre Sprache nicht sprechen?«
»Nicht gut; ich sagte, ich spreche sie nicht gut. Natürlich verstehe ich das eine oder andere Wort. Wer zur See fährt, tut gut daran, die Zunge der Thayns zu kennen.«
»Jedenfalls war diese Thayn eine ganz schön harte Nuss. Misstrauisch«, stellte Jaquento fest. Inzwischen hatte das Boot die Fregatte erreicht, und die Offizierin kletterte an Bord des Kriegsschiffs. Insgeheim rechnete der junge Hiscadi damit, jeden Augenblick die Geschützluken aufklappen zu sehen, doch die Mantikor drehte einfach nur ab und vergrößerte die Distanz zwischen den beiden Schiffen.
»Falls sie uns eines Tages nicht davonkommen lassen, besteh darauf, dass du für Hiscadi kämpfst.«
»Was?«
»Eine alte Tradition: Ihre eigenen Leute, die sie auf Piratenschiffen erwischen, werden eben wie Piraten behandelt. Andere Nationalitäten können Glück haben, wenn gerade Krieg ist, und als Kriegsgefangene gelten.«
»Sie treffen solche Unterschiede innerhalb der Besatzung?«, fragte Jaquento verblüfft, und Pertiz nickte.
»Aber wir kämpfen für niemanden. Sollten wir nicht für das einstehen, was wir sind?«
»Gefangene Piraten stehen nicht allzu lange, sondern hängen bald«, erwiderte Pertiz ernst. »Bedenke meinen Rat, wenn es so weit kommt. Wenn kein Krieg herrscht, ist es ohnehin egal.
Ich lasse uns mal vom Wind abfallen. Ein Kriegsschiff hat immer Vorrang bei der Einfahrt in den Hafen. Und nachdem wir ihnen so glimpflich davongekommen sind, wollen wir doch kein Risiko eingehen. Nicht wahr?«
Als er die thaynrische Redewendung hörte, blickte Jaquento auf.
»Du hast mich geschickt, um mit ihr zu reden, obwohl du ihre Sprache sprichst. Warum?«, verlangte er leise zu wissen.
»Weil es an der Zeit ist, dass du Verantwortung an Bord übernimmst und alle das sehen«, erwiderte der Kapitän ebenso leise. »Du hast Talent, Jaq. Ich weiß das, und der Rest der Mannschaft soll es auch wissen.«
Damit lief Pertiz die Treppe zum Achterdeck hinauf und begann, Befehle zu rufen. Schon bald wurde ihr Schiff langsamer, und die Fregatte zog an ihnen vorbei. Sosehr sich Jaquento auch anstrengte, er konnte Leutnant Hedyn nicht auf Deck erkennen, und so wandte er sich ab, überrascht über seine Enttäuschung darüber.
»Jaq!«, rief Bihrâd, der gerade aus dem Niedergang stieg. »Jaq!«
»Was ist denn?«
»Deine Echse! Das Vieh zerstört die Kammer!«, erwiderte der Maureske, während er sich mit einem Tuch über den Handrücken strich, wo aus drei dünnen Kratzern kleine Blutstropfen quollen.
»Das tut mir leid. Ich lasse sie
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