Sturmwelten 01
Vielfalt der Nationalitäten und Hautfarben sehen wie hier. Die Menge der Eindrücke ließ sich kaum erfassen, sodass der junge Hiscadi immer nur vereinzelte Szenen entdecken konnte, während um ihn herum das Leben der Stadt wogte.
Dort kaufte eine junge, hellhäutige Frau mit einem Diener an einem Stand voller grüner Früchte ein, hier bandelte ein Seemann mit einer Hure an, deren Kleid nur noch Spuren des einstigen Rots zeigte. Zwei Kinder tollten mit einem Hund, dem ein Bein fehlte, der jedoch fröhlich bellend durch den Schmutz sprang.
»Der Konvoi sammelt sich, da lebt die Stadt auf«, erklärte Pertiz, der Jaquento zielsicher durch das Gewühl führte. Immer wieder bemerkte der junge Hiscadi Blicke, offen oder verstohlen, die ihn musterten. Zunächst war er überrascht, dass er an diesem Ort auffiel, dann jedoch entsann er sich der Echse, die selbst hier exotisch wirken musste. Auch Pertiz schien dies zu bemerken: »Wir hätten sie an Bord lassen sollen. Wir sind nicht gerade unauffällig.«
»Sinosh hätte das halbe Schiff auseinandergenommen, bis wir wieder zurückgekehrt wären; er ist nicht gerne eingesperrt«, antwortete Jaquento leise. »Außerdem bist du der Kapitän eines neuen Schiffs. Denkst du nicht, dass dir dieser Umstand mehr als genug Aufmerksamkeit bescheren wird?«
»Stimmt, daran muss ich mich wohl gewöhnen«, pflichtete ihm Pertiz bei und lenkte seine Schritte abseits der breiten Straße in eine kleine Gasse jenseits der großen Lagerhäuser. Hier standen die Häuser enger, und es war schattig. Hinter den prächtigen Fassaden sahen die Kontore alt und schäbig aus, es gab keine bunten Anstriche, nur abblätternde Farbreste und schmutzige Wände.
»Willkommen im wahren Lessan, jenseits von fetten Handelshäusern und den Prachtbauten der Gouverneure. An Orten wie diesen macht Gesindel wie wir Geschäfte!«
»Unter der Nase der Königlich-Thaynrischen Marine?«
»Nun ja, manchmal. Zugegeben, es ist ein wenig schwierig, aber hin und wieder geht es nicht anders. Eigentlich gibt es natürlich geeignetere Häfen als diesen. Häfen, in denen niemand Fragen stellt und in denen eine Prise schnell den Besitzer wechselt, der dann schon nach einer Stunde schwört, sie bereits seit Jahren zu besitzen.«
»Klingt gut«, erwiderte Jaquento abgelenkt und sah sich um. In einer Seitengasse lag ein Haufen Abfall, auf dem zwei Vögel saßen, die den Unrat mit ihren Schnäbeln durchwühlten. Eine dürre, schwarze Katze schlich sich an, die Vögel bemerkten sie und stoben zeternd auf. Auch hier gab es Leben, doch die Menschen gingen hier schneller, gebeugter, und sie warfen dabei vorsichtige Blicke über die Schulter.
Einige Jugendliche standen auf der kleinen Veranda eines baufälligen Hauses und musterten sie feindselig. Sie alle trugen lange Messer und hatten sich die Schläfen rasiert, während ihr Haar ansonsten lang war. Ihre Blicke verhießen wenig Gutes, und sie erinnerten Jaquento an hungrige Raubtiere, die, obwohl abgemagert und räudig, besonders gefährlich waren.
»Oi«, rief Pertiz und trat an die Veranda heran. Einst mochte das Haus eindrucksvoll gewesen sein, doch seine besten Tage waren längst vergangen; nun lag es im Schatten der Lagerhäuser, die hellrote Farbe blätterte ab, und Moos bewuchs das fasrige Holz.
»Was?«, zischte einer der Jugendlichen. Beinahe automatisch ließ Jaquento die Hand auf den Griff seines Degens fallen und fixierte den jungen Mann, auf dessen Wangen sich gerade der erste Flaum zeigte. Jung war er sicherlich, doch seine zusammengekniffenen Augen waren hart und ließen ihn älter wirken.
»Wir suchen eine Taverna. Sie muss hier irgendwo sein, aber sie hat keinen Namen. Wenn du uns hilfst, geb’ ich dir’nen Sechsling für deine Mühe.«
»Was is’, wenn ich einfach all dein Silber nehme, he?«
Bevor Pertiz antworten konnte, trat Jaquento einen Schritt vor: »Dann schneide ich dich von deinen kleinen Eiern bis zur Gurgel auf, Junge, und ein paar deiner Kumpane gleich mit. Also, nimm das Silber, das mein Freund dir angeboten hat, und wir lachen alle über unsere Scherze. Oder …«
Das letzte Wort hing drohend in der Luft. Der Bursche starrte Jaquento wild an, der junge Hiscadi aber erkannte die Unsicherheit in seinem Blick.
»Du bist’n ganz Lustiger, ne? Der Laden ist da hinten«, erklärte der Halbwüchsige missmutig und wies die Gasse hinab, woraufhin Pertiz nickte, eine Münze aus seinem Beutel fischte und sie ihm zuwarf.
Erst als sie einige
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