Sturmwelten 01
gefertigt waren. Immerhin mangelt es mir noch nicht an Standhaftigkeit, wie so manchem Adeligen bei Hofe. Der Hofklatsch besagte auch, dass es Maestre gab, die ihr Brot damit verdienten, die Lust alter, reicher Aristokraten magisch am Leben zu erhalten.
Während sich Yuone an dem Frühstück gütlich tat, legte sich Franigo wieder zu ihr und plante den Tag. Erst würde er ein wenig schreiben, an dem neuen Stück, das bei Hofe gespielt werden würde. Dann galt es, einige Briefe zu verfassen. Abends war er in den Salon der Marchessa von Cérvennes geladen. Die Marchessa war als eine Förderin der schönen Künste bekannt; außerdem war sie stets von einem Hauch von Skandal umweht, der Franigo geradezu magisch anzog. Ihre Ländereien lagen weit im Süden und galten als eine der besten Weinregionen Géronays. Wie stets bei ihren Empfängen würden wohl zahlreiche Würdenträger und Künstler anwesend sein.
»Sehen wir uns heute Abend?«, fragte Yuone mit vollem Mund. Die Schokolade hatte einen schmalen Bart über ihre Oberlippe gemalt, wie Franigo belustigt feststellte.
»Leider nicht. Ich habe eine Einladung, der ich nicht entgehen kann.«
»Ich könnte später zu dir kommen«, gurrte sie und ließ ihr Haar über das mit Sommersprossen bedeckte Gesicht fallen. Der Blick ihrer hellen Augen war verführerisch, wie Franigo an seiner eigenen Reaktion bemerkte. Trotzdem schüttelte er lächelnd den Kopf.
»Ich kann nicht sagen, wie lange es dauern wird, meine Liebe. Es wäre nicht rechtens, dich mit so ungewissen Aussichten zu mir zu bitten«, erklärte er und dachte an das aufreizende Lächeln, das ihm die Marchessa bei ihrer letzten Begegnung im Salon des Princiess zugeworfen hatte. »Es könnte … spät werden.«
»Dann muss ich eben jetzt dafür sorgen, dass du mich nicht vergisst«, erwiderte die Schauspielerin, schob die Seide des Morgenmantels auseinander und kratzte langsam mit den Fingern über Franigos Brust. Er rollte herum, sodass er auf ihrem nackten Körper zu liegen kam. »Lasst die Lektion lieber gründlich sein, Mésera«, wisperte er ihr ins Ohr. »Ich habe ein ganz erbärmliches Gedächtnis.«
»Schuft«, entgegnete sie mit einem kleinen Lachen. Als ihre Finger seine Männlichkeit umschlossen und ihn sanft zu massieren begannen, schloss Franigo die Augen. Seine Lippen suchten ihre, und er überließ sich ganz ihren Künsten.
In der goldverzierten Einladung war von einem kleinen Empfang die Rede gewesen, und tatsächlich waren nur zwei Dutzend Gäste anwesend, doch die Marchessa hatte keine Kosten und Mühen gescheut, um selbst den kleinen Empfang in ein glanzvolles Ereignis zu verwandeln. Sie war als preziös bekannt, und dies spiegelte sich in allem, was sie umgab, vom Wandschmuck ihres Salons bis zu den Livreen ihrer Dienerschaft.
»Ihr müsst Euch ihre Lakaien anschauen, Franigo«, hatte Gureman den Dichter aufgefordert. »Sie hat Wilde aus der Sturmwelt in ihrem Haus, denen sie beigebracht hat, sich wie zivilisierte Menschen zu benehmen – oder jedenfalls doch beinah.«
Nun konnte der Poet einen Blick auf diese berühmten Wilden werfen, als sie ihm mit geübten Handgriffen den Mantel abnahmen. Unter den gepuderten, weißen Perücken sah er bronzefarbene Gesichter mit hohen Wangenknochen und dunkle Augen, in denen jedes Leben fehlte. Auf ihn übten sie keinerlei Faszination aus, aber er konnte beobachten, wie andere Gäste den Dienern in die Wangen kniffen oder sie dazu zwangen, ihre Zähne zu präsentieren.
»Kann er sprechen?«, fragte eine ältere Adelige die Gastgeberin und deutete auf den Wilden, der ihr soeben ein Glas Likör reichte.
»Wenn es sein Wunsch ist. Aber das ist es nicht immer«, entgegnete die Angesprochene spöttisch.
Die Marchessa, deren Alter Franigo irgendwo zwischen dem dreißigsten und vierzigsten Jahr beziffert hätte, hatte den milchweißen Teint, den man nur bekam, wenn ein Heer Bediensteter dafür sorgte, dass man selbst niemals der Sonne ausgesetzt war. Ihre Kleidung, ein grünes Samtkleid, das über und über mit schwarzen Perlen bestickt war und ihre schlanke Figur sehr vorteilhaft zur Geltung brachte, war aufwendig und schwindelerregend kostbar, wenn auch sicher unbequem, wie Franigo bei sich dachte. Kokett lächelte sie ihn an, als sie ihn geziert begrüßte. Der arme Marchess. Kein Wunder, dass er sich angeblich schon seit Jahren zur Kur in verschiedenen Bädern aufhält.
»Es ist mir eine Ehre, Meséra«, erklärte der Poet, was ihr ein entzücktes
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