Sturmwelten 01
erklärte: »Das Fort ist unser Problem. Vielleicht schaffen wir die Schiffe, aber niemals, wenn wir gleichzeitig von der Festung aus beschossen werden.«
»Das hast du gut erkannt.«
Jaquento ignorierte den beißenden Spott in der Stimme des Kapitäns und tippte sich an den Kopf.
»Also habe ich gedacht«, begann er, was Pertiz ein Schnauben entlockte, »dass wir uns zuerst um die Kanonen kümmern müssen. Um ein Geschütz zu bedienen, bedarf es einer großen Mannschaft. Wenn aber nun gleichzeitig die Sklaven einen Aufstand wagen, werden die Soldaten an mehreren Orten gebraucht. Es sind nur siebenundvierzig, hat das Mädchen gesagt.«
»Sie wusste verflucht viel über die Besatzung des Forts und über die Aufseher und das Sklavenlager.«
»Nun, ja, wenn die Sklaven tatsächlich eine Flucht planen, werden sie sich wohl vorher ein paar Gedanken gemacht haben.«
»Oder sie wollten uns reinlegen. Vielleicht ist es ein Trick. Dieser Drecksack Tangye vertraut uns sicher nicht weiter, als er uns werfen könnte. Und das arme Kind ist in Wahrheit seine Tochter, die dir einen gewaltigen Bären aufgebunden hat«, vermutete Pertiz.
»Wenn sie uns nicht vertrauen, wieso pusten sie uns nicht einfach aus der Bucht? Drei Schiffe, eine Festung, was könnten wir schon dagegen tun? Warum sollten sie so einen Aufwand betreiben?«
Zur Antwort brummte Pertiz nur unbestimmt. Der Kapitän sah nachdenklich aus.
»Du willst die Sklaven also als Ablenkung benutzen?«, erkundigte er sich schließlich.
»Auch. Oder besser: Wir benutzen uns gegenseitig als Ablenkung. Wenn wir einen Angriff beginnen und sich die Sklaven gleichzeitig erheben, wird Tangye es schwer haben, die Soldaten gezielt einzusetzen. Und Mano könnte die Verwirrung mit ein bisschen Mojo noch steigern. In dem entstehenden Chaos können wir vielleicht alle unsere Ziele erreichen.«
Der frische Seewind fuhr über Jaquentos Haut. Die Sonne brannte heiß auf ihn herab, und er schwitzte in seiner teuren Kleidung. Der Stoff klebte unangenehm auf seiner Haut, und er hoffte, möglichst bald in den Schatten zu gelangen. Auf seiner Schulter eingerollt, hatte Sinosh offensichtlich weitaus weniger Probleme mit der Hitze.
Pertiz grübelte nach wie vor. Es war klar, dass Jaquento ihn noch nicht vollständig überzeugt hatte, aber seine Worte zeigten zumindest Wirkung. Als sie nur noch wenige Meter von der Windreiter entfernt waren, sagte Pertiz endlich: »Dein Plan ist gefährlich. Für uns und für die Sklaven ebenso. Warum willst du das tun?«
»Wir bieten ihnen immerhin eine Aussicht auf Erfolg. Was denkst du, wie gut ihre Chancen ohne uns stünden?«
Prüfend blickte Pertiz zu der Insel. Dann schüttelte der den Kopf.
»Sie haben keine.«
»Genau. Natürlich ist der Plan gefährlich, und sehr wahrscheinlich wird es Tote auf allen Seiten geben. Und wenn ich heute Nacht an Land schwimme und mich mit den Anführern der Sklaven treffe, werde ich ihnen genau das sagen. Wenn sie nicht wollen, dann versuchen wir es ohne sie.«
»Du denkst, das funktioniert?«
»Vertrau meinem Wort«, bat Jaquento und zwinkerte dem Kapitän zu.
»Dafür kenne ich dich inzwischen zu gut.«
»Dann vertrau meinem Wort als Hiscadi.«
»Dafür kenne ich zu viele Hiscadi!«
Seufzend legte Jaquento den Kopf in den Nacken und guckte zum Schiff hoch, das inzwischen über ihnen aufragte. Dass dieses Sklavenmädchen auf die Entfernung gesehen hatte, dass mehr als nur zwanzig Seeleute an Bord waren, verwunderte ihn noch immer. Ihre Augen und ihre Beobachtungsgabe mussten außergewöhnlich gut sein. Pertiz hatte vor ihrem Landgang befohlen, dass niemals mehr als zwanzig von ihnen an Deck zu sehen sein durften. Keiner hatte damit gerechnet, dass diese List durchschaut werden würde. Noch dazu von einem Mädchen, das sich kaum traute, ihm direkt in die Augen zu sehen.
Wir bieten ihnen eine Möglichkeit zu entkommen , dachte der junge Hiscadi, während er das Netz erklomm. Das ist mehr, als sie bislang hatten. Dennoch konnte er Pertiz’ Zweifel verstehen, und er selbst fühlte sich nicht gut bei dem Gedanken an einen Sklavenaufstand. Die Soldaten der Compagnie waren vermutlich gut ausgerüstet und ausgebildet, und die Sklaven hatten wohl weder Waffen noch das nötige taktische Wissen. Ihr einziger Vorteil war ihre Anzahl, und sich allein darauf zu verlassen würde zu einem Blutbad führen, für das Jaquento nicht die Verantwortung übernehmen wollte. Also müssen wir einen Weg finden, das zu
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