Sturmwelten 01
Uniform, um deren Sitz zu kontrollieren. Schließlich wäre es besonders peinlich, vor einem Gast an Bord mit falsch geknöpfter Jacke aufzutreten. Doch sie fand keinen Fehler, bis sie die Kajüte erreichte und anklopfte.
Harfells Koje war durch eine bewegliche Trennwand verborgen. Die Ärztin hatte ihn in dem großen Raum untergebracht, da dort mehr Platz für seine Versorgung war. Das bedeutete allerdings auch, dass der Tisch, obwohl sie zwei Stühle in den Laderaum geräumt hatten, den restlichen Raum beherrschte und kaum noch Platz ließ, um darum herum zu gehen. Aus dem kleinen Separee war Harfells rasselndes Atmen zu hören, ebenso wie Sellishers beständiges Murmeln der Gebete. Beides zusammen schuf eine schaurige Atmosphäre, die Roxane allerdings sofort vergaß, als Cearl sie begrüßte und auf seinen Gast deutete.
»Sie!«, entfuhr es Roxane, als Jaquento sich vor ihr mit einem spöttischen Lächeln verneigte. Diesmal trug der Hiscadi keine zeremonielle Kleidung, sondern das praktische Hemd eines Seemanns. Den Degen hatte er jedoch nicht abgelegt.
»Sie wurden einander bereits vorgestellt?«, fragte Cearl mit offenkundiger Verwirrung.
»Leutnant Hedyn und ich hatten die Freude, uns auf Lessan kennenzulernen«, erklärte der Hiscadi, auf dessen Schulter wieder die goldfarbene Echse saß, deren Blick Roxane eindeutig spöttisch erschien. »Es ist mir eine Ehre, Euch wiederzusehen, Mésera.« Er machte einen Schritt nach vorn, ergriff lächelnd ihre Rechte und deutete einen Handkuss an.
Roxane riss ihre Hand so hastig zurück, als ob sie sich verbrannt hätte. »Richtig, wir haben uns schon einmal getroffen«, erwiderte sie steif.
»Das macht die Angelegenheit wohl einfacher, denke ich«, murmelte Cearl mit einer gewissen Erleichterung in der Stimme und setzte sich wieder an den Tisch.
»Ich kann nur hoffen, dass wir Gelegenheit finden, an unser erstes Treffen anzuknüpfen, das so plötzlich unterbrochen wurde«, sagte Jaquento mit aller gebotenen Höflichkeit, während Roxane ihm und seinem selbstzufriedenen Grinsen am liebsten einen Tritt versetzt hätte.
Doch Frewelling schien nicht zu bemerken, was zwischen ihnen vorging. »Erlauben Sie mir, den Leutnant über unsere aktuelle Lage aufzuklären«, hob er an. »Wir haben den Hafen erreicht, und ich habe die Mantikor vor Anker gehen lassen. Der Bootsmann ist mit einigen Seeleuten von Schiff zu Schiff gerudert, um nach dem schwarzen Frachter zu fragen. Und siehe da: Wir haben Glück gehabt!«
Jetzt war Frewellings Stimme lebhaft, und auch die Müdigkeit war aus seinen Augen gewichen. Roxane hingegen konnte sich kaum auf das Gesagte konzentrieren, zu sehr fürchtete sie, dass ihr brennendes Gesicht ihre Gedanken preisgab. Ihre Gefühle reichten von Freude bis hin zu Angst und wechselten in jedem Augenblick vom einen zum anderen.
»Ja, denn wir haben ein Schiff gesehen, auf das die Beschreibung passt«, sagte der Hiscadi.
»Ach?«, war Roxanes wenig sprachgewandte Antwort.
»Ja«, wiederholte Jaquento und runzelte die Stirn.
Eine unangenehme Stille breitete sich aus.
»Würden Sie uns bitte einen Moment entschuldigen?«, fragte Cearl höflich und wies auf die Tür der Kajüte. Zustimmend neigte der Gast das Haupt und verließ den Raum.
»Was ist denn los?«, erkundigte sich Cearl, obwohl sie nicht allein waren, weitaus weniger förmlich bei Roxane. »Geht es dir nicht gut?«
»Ich … bin überrascht«, erklärte sie lahm. »Ich habe nicht damit gerechnet, diesen Mann wiederzusehen.«
Seine vertrauliche Anrede, die sie eigentlich ärgern sollte, freute sie vielmehr. Sie machten einiges zusammen durch, und sie empfand die Vertraulichkeit als angemessen.
»Wie hast du ihn denn überhaupt kennengelernt?«
»Er war auf dem Empfang, zu dem der Kapitän uns mitgenommen hat. Aella und mich, meine ich.«
»Beim Ball auf Lessan also? Er scheint dich nicht unbeeindruckt gelassen zu haben.« Täuschte sie sich, oder lag eine Spur von Eifersucht in Cearls Worten? Das hat mir gerade noch gefehlt!
Sie nahm sich zusammen und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. »Ich war lediglich überrascht, Thay, da ich nicht mit seiner Anwesenheit an Bord gerechnet habe. Das ist alles«, sagte sie förmlich.
»Nun, wir sollten uns besser an seine Anwesenheit gewöhnen, denn was er mir berichtet hat, klingt nicht gut.«
»Inwiefern?« Eine Säule aus Eis stieg an Roxanes Rückgrat empor.
Cearl sah sie zweifelnd an, ehe er anhub: »Das Schiff, das wir suchen,
Weitere Kostenlose Bücher