Sturmwelten 01
hat Geleitschutz. Und nicht nur das. Derzeit liegt es auch noch im Schatten eines Forts.«
»Géronay?«
»Schlimmer: die Handelscompagnie.«
Die Tatsache, dass Jaquento Cearl anscheinend nichts von ihrer Begegnung auf dem Ball berichtet hatte, erleichterte Roxane ungemein, und plötzlich gelang es ihr mühelos, ihr Erstaunen über diese Neuigkeit zum Ausdruck zu bringen und wieder unverkrampft zu reagieren.
»Die Compagnie? Gehört ihr unsere Beute? Oder nur das Fort?«
»Offensichtlich beides. Das bringt uns in eine unangenehme Lage.«
»Allerdings. Wir können kein Schiff der Compagnie angreifen.«
»Doch«, erwiderte Cearl überraschend. »Mehr noch: wir müssen sogar.«
Als er ihren ungläubigen Blick sah, führte er aus: »Ich habe unsere Befehle genauestens studiert. Die Order enthält den Zusatz, dass wir das Schiff ohne Beachtung seiner Nationalität oder Eigner aufbringen müssen. Das hat mich stutzig gemacht, denn wie du weißt, ist eine solche Erläuterung weder nötig noch üblich. Ich denke aber, ich weiß jetzt, warum sie diesen Zusatz trotzdem hineingeschrieben haben.«
»Unser Oberkommando wusste, dass es sich um ein Schiff der Compagnie handelt? Aber das ergibt keinen Sinn! Warum sollen wir ein Schiff jagen, das ohnehin unserer Weisungspflicht untersteht? Es sind Thayns …«
»Vielleicht versucht die Compagnie, ihren Gewinn zu erhöhen, indem sie schmuggelt. Oder sie handeln mit verbotenen Gütern. Das wäre zumindest nicht das erste Mal. Wenn es um ihren Profit geht, sind der Handelsgesellschaft unsere Gesetze erst einmal egal. Aber wie dem auch sei: Wir haben jedenfalls unser Ziel vor Augen!«
Ganz mochte Roxane seine Begeisterung darüber nicht teilen. Die Tatsache, dass das Schiff der Compagnie gehörte, konnte weitreichende Folgen haben. Sollten sie die Befehle falsch interpretieren, dann würden sie auf ihre eigenen Schiffe feuern. Die Verwaltung der Compagnie wäre sicherlich nicht erfreut, und sie besaß Beziehungen bis in die höchsten gesellschaftlichen Kreise und hatte das Ohr der Admiralität. Die Flotte verschlang Unsummen, und die Sturmweltenfahrer der Compagnie brachten in ihren Bäuchen jene Reichtümer nach Thaynric, die für die Finanzierung der Marine dringend vonnöten waren.
»Ich bin mir dessen nicht so sicher«, sagte sie. »Vielleicht wusste Harfell mehr. Vielleicht hat Admiral Holt ihm auch persönlich noch mehr gesagt. Wenn wir uns irren …«
Sie beide wussten, in welche Lage sie das bringen würde. Andererseits konnte ihre Situation kaum noch schlimmer werden. Auch wenn sie es in Anwesenheit des Caserdote nicht auszusprechen wagte, sah Roxane diese Erkenntnis auch in Cearls Augen. Ohne ein Wort öffnete der Kapitän die Tür und ließ Jaquento wieder in den Raum.
»Das sind außerordentlich spannende Neuigkeiten …«, begann Cearl, doch Jaquento unterbrach ihn: »Es gibt natürlich noch weitere Schwierigkeiten.«
»Wenn Sie auf eine Belohnung anspielen, ich bin sicher, dass die Admiralität Sie in angemessener Weise für Ihren Aufwand entschädigen wird.«
»Nein, ich spreche von den Sklaven.«
»Sklaven?«, echoten Cearl und Roxane wie aus einem Mund.
»Auf der Insel mit dem Fort werden Sklaven gehalten.«
»Was, von der Compagnie?«
Als der Hiscadi nickte, glaubte Roxane endlich zu verstehen, was hier vor sich ging. Wenn die Handelscompagnie tatsächlich Sklaven hielt, verstieß sie gegen die Gesetze Thaynrics. Mit ihrer Macht hatte sie sich einige Feinde geschaffen, und auch innerhalb der Admiralität war der große Einfluss der mächtigen Händler nicht bei jedem gern gesehen. Sollte das schwarze Schiff ein Sklavenschiff sein, konnte es als Beweis der illegalen Aktivitäten der Compagnie deren Position deutlich schwächen. Wir sind in eine politische Intrige geraten. Möge die Einheit uns den richtigen Kurs zeigen, um aus diesen haiverseuchten Gewässern zu finden.
»Ja«, sagte Jaquento. »Es sind vielleicht zwei- oder dreihundert Männer und Frauen auf der Insel. Wir haben ihnen unsere Hilfe zugesagt. Aber wir können es alleine nicht mit den Schiffen und dem Fort aufnehmen.«
»Sie haben den Sklaven Ihre Hilfe zugesagt?«, fragte Cearl plötzlich misstrauisch. »Was für ein Händler sind Sie eigentlich genau?«
»Ein Händler, der die Gesetze Thaynrics achtet«, erwiderte Jaquento mit einem Lächeln, das so falsch war, dass Roxane ihn am liebsten geschlagen hätte. »Und wie jeder Händler, der in gefährlichen Gewässern segelt, sind wir
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