Sturmwelten 01
in der Lage, uns zu verteidigen. Aber vor allem verachten wir Sklaverei in all ihren Ausprägungen. Wir würden diesen Umstand deshalb gern auf der Insel beenden wollen.«
»Ich verstehe«, erklärte Cearl, aber Roxane bemerkte, dass er unsicher schien.
»Wir sollten Leutnant Hugham zu den Beratungen hinzuziehen«, schlug sie vor. »Wir brauchen mehr Einzelheiten, damit wir einen Plan fassen können. Und der Leutnant hat einen klaren Blick für taktisch schwierige Situationen.« Das ist zwar nicht unbedingt wahr, gibt uns aber trotzdem ein bisschen Zeit.
Während Cearl die entsprechenden Befehle gab, sah Roxane Jaquento fragend an. Was sind deine Motive? Hiscadischer Händler, dass ich nicht lache!
SINAO
Die Ahnen hatten entschieden, Sinao auf unterschiedliche Weisen leiden zu lassen. Zum einen straften sie sie mit der Ungewissheit über Majaguas Schicksal, denn sie war in der Küche des Forts gefangen, während man Majagua irgendwohin verschleppt hatte. Dann war da die simple und dennoch furchtbare Gewissheit des Verlustes, das Wissen, dass ihr Liebster sterben würde. Und schließlich war sie mit dem Mann eingesperrt, der Majagua an Tangye verraten hatte, und musste seinem rasselnden Atem lauschen, während seine bloße Nähe ihr Übelkeit verursachte. Sie hasste ihn. Niemand hatte ihr gesagt, dass er es gewesen war, der Majagua verraten hatte, doch nur das konnte der Grund für seine Anwesenheit hier sein.
Die anderen Küchensklaven hielten sich von ihr fern, und das war gut so. Sie spürte Anuis Feuer in ihrem Herzen brodeln; irgendwann musste sich diese Macht einen Ausweg suchen, und niemand konnte wissen, wen ihr Zorn traf. Die Sklaven ekelten sie bereits jetzt an, denn sie konnte ihre Gedanken auf ihren Gesichtern lesen, so als würden sie diese laut aussprechen: Wir haben es dir gesagt. Er macht nur Ärger. Er wird sterben. Mienen voller Gehässigkeit, die Sinaos Wut nur weiter anfachten. Und dazu immer das Atmen des Verräters, unterbrochen nur von seinem keuchenden Husten. Einundsechzigmal hat er gehustet, seit er hier ist. Ich hoffe, er stirbt, noch bevor es doppelt so viel ist.
Schließlich hielt sie es nicht mehr aus, sondern stand auf und ging wortlos in den Vorratskeller hinab. Die kleine Öllampe wies ihr den Weg zu ihrem Versteck, und sie nahm den Zemi heraus. Die Spitzen bohrten sich in ihre Hand, als sie den kühlen Stein umklammerte und die Faust gegen ihre Stirn drückte. Hilf uns, Anui, hilf uns. Sie wollte beten, doch nur diese Worte kamen ihr in den Sinn, und sie wiederholte sie, stumm und endlos.
Es war, als würde der Stein all ihre Energie in sich aufnehmen und sie leer zurücklassen. Nach zweitausendfünfhundertzweiundzwanzig Sekunden legte sie ihn zurück. Ihre Beine und Arme waren kalt geworden, und auch das Feuer in ihrem Herzen war erloschen. Sie fühlte nichts und konnte nur hoffen, dass sie nie wieder etwas fühlen würde.
Die anderen beobachteten sie, als sie wieder aus dem Keller stieg, doch es war ihr einerlei. Sie waren unwichtig, ihre kleinen Leben waren belanglos, ihre Gedanken bedeutungslos. Nur eines interessierte sie noch. Also kniete sie neben dem Verräter nieder, brachte ihr Gesicht nah an seines und fragte leise: »Warum?«
Müde hob Dagüey den Kopf und sah sie an. Zuerst dachte sie, er würde nicht antworten. Er hustete und wischte sich blutigen Speichel von den Lippen. Endlich erwiderte er mit krächzender Stimme: »Weil ich es musste. Er hätte uns alle getötet.«
Tränen stiegen Sinao in die Augen, und sie ballte die Fäuste. »Er hätte uns befreit!«
»Wir dürfen den Fremden nicht vertrauen. Sie sind Lügner, wie alle ihrer Art. Wenn wir ihren Worten Glauben schenken, werden alle Sklaven sterben.«
Sein Kopf sank zurück auf seine Lagerstatt. Seit die Soldaten ihn in die Küche geführt hatten, lag er auf der Decke auf dem Boden, in der Nähe des Herdes, und rührte sich kaum.
»Warum hast du das getan?«, fragte Sinao wieder, die es verstehen wollte, es verstehen musste. »Er hat dir vertraut! Du hast ihm doch erst geholfen!«
Der alte Mann schloss die Augen. Lange Zeit bewegten sich seine Lippen stumm, bis er laut hervorstieß: »Er hätte uns alle in den Tod geführt. Ich musste es tun. Siehst du das nicht?«
»Nein.«
Sein Seufzen klang wie der letzte Atemzug eines Sterbenden und sandte Sinao Schauer über den Rücken.
»Unsere Pläne waren gut, aber die Fremden zerstören alles.«
»Du hast ihn verkauft. Für einen Platz hier. Für
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