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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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aufgewühlt von den Stiefeln der Blassnasen. Manchmal sieht man Tapire und wilde Schweine.«
    Die Beschreibung seiner Heimat zeigte Majagua die grüne Insel seiner Kindheit in schmerzhaft klaren Bildern. Die Wiesen mit den hohen Gräsern, in denen er mit seinen Freunden Jäger gespielt hatte, bevor sie alt genug waren, um wirklich zu jagen. Die Wälder, wo die Bäume so hoch und dicht waren, dass am Boden ewiges Zwielicht herrschte. Er versuchte, diese Erinnerungen in Worte zu fassen, damit er sie mit Sinao teilen konnte, doch Worte genügten nicht dafür. Dennoch lächelte sie: »Ich freue mich darauf, deine Heimat kennenzulernen.«
    »Wenn du es willst, wird es unsere Heimat sein, Sin.«
    Sie schmiegte sich an ihn, umarmte ihn so fest, als wolle sie sich versichern, dass er wirklich war und kein Geist.
    »Ja. Unsere Heimat.« Sie sprach ganz langsam, als hätten die Worte zu viel Bedeutung, um sie hastig zu sagen. »Aber wir dürfen uns nicht in unseren Träumen verlieren, auch wenn unsere Herzen es wollen. Wir müssen bereit sein, Majagua. Bereit und mutig.«
    »Die Ahnen haben uns die Fremden gesandt. Anui hat sie mit seinem Licht hierhergeführt, als er unser Unglück sah. Er wird uns helfen.«
    Die Tage der Verzweiflung waren vorbei. Die Ahnen hatten sie nicht vergessen. Sie hatten ihn auf die Insel geführt, weil die Sklaven ihn brauchten. Und nun hatten sie ihnen die Fremden geschickt. Majagua haderte nicht mehr mit seinem Schicksal. Bislang hatte er einfach nicht erkennen können, warum er auf Hequia war. Doch nun hatten sich die Nebel gelichtet, und sein Pfad lag deutlich vor ihm.
    »Ich habe zu Anui gebetet. Jeden Tag«, flüsterte Sinao. »Aber ich habe nicht mehr geglaubt, dass es wirklich geschehen könnte.«
    Majagua senkte den Kopf und küsste sie. Ihre Hoffnung war die seine, und sie waren nun untrennbar miteinander verbunden.
    »Ich muss zurück«, sagte sie, viel zu bald. Aber er nickte tapfer. Nicht mehr lang, und ihre Zeit würde ihnen gehören. Dann werden wir jede Nacht beieinanderliegen können, und am Morgen wird Sinaos schlafende Gestalt das Erste sein, was ich sehe.
    Er blickte ihr nach, während sie zur Essensausgabe ging, die letzten Brotstücke verteilte und dann mit den anderen Küchensklaven die Töpfe und Schalen zusammenräumte. Jedoch nicht alles. Anstelle einer Decke hatte sie Palmenwedel mitgebracht und auf dem Boden ausgebreitet, um das Brot daraufzulegen. Die langen Blätter ließen sie im Staub zurück, und schon bald sammelten andere Sklaven sie ein und brachten sie in die Hütte. Die Aufseher hatten nichts bemerkt, und selbst wenn, es waren nur Sklaven, mit Blättern in den Händen. Der Paranao folgte Sinao mit seinen Blicken, bis er ihre kleine Prozession nicht mehr erkennen konnte.
    Dann setzte sich Majagua mit einigen Sklaven zusammen und begann damit, die Steine zu bearbeiten. Andere zerpflückten die Blätter. Die kräftigen Blattgerippe wurden verwebt, und Stück für Stück entstanden so die runden Schilde der Paranao. Fasern wurden geflochten, um Schnüre herzustellen, mit denen man die Steinspitzen an den Speeren befestigen konnte, und auch, um daraus Seile zu machen, mit denen man über die Palisaden klettern konnte. Für die Blassnasen waren es nur Palmblätter, wenig mehr als Abfall, aber die Paranao hatten seit dem Anbeginn der Zeit nützliche Dinge aus den Wedeln gefertigt, und nun machten sie sich ihr Wissen zunutze.
    Sie mussten leise sein und waren es auch. Die Arbeit ging so zwar nur langsam voran, doch es war das Wichtigste, dass sie nicht entdeckt wurden. Während Majagua langsam eine Spitze an einem größeren Stein schliff, guckte er sich um. Alle Männer waren konzentriert bei der Arbeit. Nicht viele waren in ihr Vorhaben eingeweiht worden, doch der junge Paranao wusste, dass es längst kein Geheimnis mehr war. Die Gerüchte würden inzwischen auch die letzten Winkel des Lagers erreicht haben. Früher oder später mussten sie ohnehin alle einbeziehen, denn die eigentliche Flucht würde gefährlich werden, und sie brauchten jede Hand und jeden Kopf für ihr Vorhaben. Selbst die Alten und Schwachen. Und Majagua wollte niemanden zurücklassen.
    »Wo ist Dagüey?«, fragte er, als ihm das Fehlen des alten Sklaven auffiel. Dem Alten war es in den letzten Tagen immer schlechter gegangen, und er hatte sich kaum noch blicken lassen. Einige Minensklaven hatten ihm bei seiner Arbeit geholfen, und sie brachten ihm Wasser und Essen. Doch der Husten, dessen Anfälle

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