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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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beleibte Frau in einem schlichten grauen Kleid, deren Haare bis auf die Kopfhaut abrasiert waren. Sie warf dem Poeten einen finsteren Blick zu, dann nahm sie den Kopf der Rothaarigen und schmiegte sich an die Gefesselte.
    »Ruhig, ganz ruhig, Kind«, murmelte sie zärtlich, und tatsächlich erschlafften die Bewegungen der Rothaarigen, bis ihre Lider sich wieder schlossen. Wie tot lag sie da, kaum ein Hauch ging über ihre blutleeren Lippen.
    Da packte die Frau Franigo am Arm und zog ihn von dem Bett fort. Zwischen den Tüchern war ein Gang, und wie betäubt sah der Poet mehr von diesen Betten, auf denen jeweils eine Person gefesselt lag; Alte und Junge, Männer, Frauen und Kinder. Erschüttert riss er sich los und umfasste den Griff seines Degens.
    »Meséra, was geht hier vor?«, verlangte er zu wissen.
    »Das sollte ich dich fragen. Dies ist kein Ort für dich!«
    »Ihr haltet diese Menschen gefangen!«
    »Wir beschützen sie.«
    »Beschützen? Aber wie … warum?«
    »Komm mit«, befahl sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Um ihn herum war das Murmeln wie ein Rauschen, das ihn verfolgte, und so sehr er sich auch bemühte, er konnte keine Worte ausmachen. Vielleicht war es besser so.
    Endlich traten sie durch eine kleine, niedrige Tür und standen in einem sonnendurchfluteten Innenhof.
    »Mein Junge«, begann die Frau und ignorierte beflissentlich Franigos Stirnrunzeln. »Wir kümmern uns um jene, die ihren Verstand verloren haben, jedoch zu gefährlich sind, als dass man sie in einer Anstalt belassen könnte.«
    »Das verstehe ich nicht«, gestand Franigo.
    »Maestre, des Zauberns Kundige, verlorene Seelen. Die Einheit hat uns in ihrer Weisheit die Möglichkeit gegeben, diese zu pflegen und zu behüten.«
    Langsam wurde dem Poeten klar, wovon die alte Frau sprach, und er senkte beschämt das Haupt.
    »Verzeiht mir, Meséra, das war mir nicht bewusst.«
    »Wir bewachen und beschützen sie gleichzeitig. Einige haben eigene Zimmer, oben. Aber manche sind zu stark, oder ihr Geist ist zu weit entfernt, und jene liegen dort in dem Saal. Wir geben ihnen ein wenig Traumstaub, um sie zu beruhigen, wir nehmen ihnen die Schmerzen.«
    »Dann seid Ihr …?«
    »Die Einheit sah es als gut an, mir den Körper einer Frau, doch die Fähigkeiten eines Caserdote zu geben«, bejahte sie. »Meine Schwestern und ich versorgen die Leidenden, denn wir können ihnen ihre Kraft nehmen und damit auch die Gefahr, die von ihnen ausgeht. Und was uns nicht gelingt, bleibt dem Traumstaub überlassen.«
    »Ihr müsst sehr großzügig sein.«
    »Wir haben Gönner. Die Akademien überlassen uns den Traumstaub und fördern diese Einrichtung.«
    Ihre Worte leuchteten Franigo ein. Die magischen Akademien würden nicht wollen, dass einer der ihren, krank oder nicht, den Aberglauben in der Bevölkerung weiter schürte.
    Nun erschien es dem Hiscadi geradezu lächerlich, wie er auf die junge Frau reagiert hatte. Die Sonne schien auf den Hof, Bienen summten um sie herum, und er hätte beinahe laut aufgelacht. Wie leicht habe ich mich ins Bockshorn jagen lassen!
    »Ich wusste nichts davon«, erklärte er. »Ich habe bloß jemanden im Bettler… ich meine, im Gefängnis, besucht und verlief mich auf dem Rückweg.«
    »Man hat uns diesen Flügel hier zur Verfügung gestellt. Das Gefängnis steht weitab aller neugieriger Augen, und kaum jemand verirrt sich hierher.«
    Eine Frage lastete noch auf der Seele des Poeten, und er konnte sich nicht verabschieden, ohne sie gestellt zu haben. »Die Worte der Frau … der Traumstaub … hat sie wahr gesprochen?«
    Die Frau schüttelte den Kopf und lächelte nachsichtig: »Die Menschen hier sind krank. Für sie besteht kein Unterschied zwischen Wahr und Falsch. Die Medizin lindert ihr Leiden, aber sie lässt sie nicht in die Zukunft sehen.«
    »Ich hoffe, dass Ihr mein rüdes Auftreten verzeiht. Ich bewundere Euch und Eure Schwestern für die Arbeit, die Ihr leistet.«
    Sie nickte und wies dann über den Hof: »Du musst jetzt gehen, mein Junge. Dies ist kein guter Ort für einen wie dich.«
    Bevor er fragen konnte, wie sie das meinte, hatte sie ihn schon durch eine Tür bugsiert, die auf die Straße hinter dem Bettlerpalast führte.
    Kopfschüttelnd ging Franigo durch die Gassen zurück zu seiner Unterkunft. Trotz der Beteuerung der Pflegerin blieben seine Gedanken bei den Worten der Rothaarigen.
    Er sah die blauen Augen vor sich, spürte den intensiven Blick in seinem Geist. Sie sprach von Gold. Ob nun

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