Sturmwelten 01
würde, die heutige Nacht aber würde er allein genießen. Seine Fortune würde seine einzige Gefährtin sein.
JAQUENTO
»Jaq!«
Der Ruf riss den jungen Hiscadi aus seinen Gedanken. Auf seiner Schulter reckte sich die Echse und knurrte. Es klang allerdings eher gemütlich als bedrohlich. Langsam wandte Jaquento sich um und begrüßte Pertiz mit einem lässigen Nicken. Der Kapitän gesellte sich zu ihm und lehnte sich an die Reling.
»Gutes Wetter. Wir werden den Treffpunkt noch vor Einbruch der Nacht erreichen. Und wenn Rénand nicht gerade Beute gefunden hat, was trotz der thaynrischen Patrouillen bei ihm nicht auszuschließen ist, wird er ebenfalls dort sein.«
»Er und die ganze Besatzung der Todsünde« , erwiderte Jaquento.
Mit geschürzten Lippen legte Pertiz den Kopf in den Nacken und ließ seinen Blick den Hauptmast emporwandern. »Sie ist eine interessante Frau – gefährlich auch«, erklärte der Kapitän, ehe er abwägend wieder zu Jaquento hinübersah.
»Ich denke, es liegt an der Uniform«, entgegnete der junge Hiscadi leise. »So ein offizieller Rock wirkt gefährlich. Darunter ist sie bestimmt gewinnender.«
»Uniform? Jaq, wovon redest du? Ich meine unsere Passagierin.«
»Was? Oh, ich war in Gedanken. Verzeih mir.«
»In Gedanken. Bei einer Frau in Uniform. Dazu fällt mir eine Frage ein: Was genau hast du an unserem letzten Abend in Lessan eigentlich in diesen protzigen Klamotten gemacht?«
»Ich habe an einem gesellschaftlichen Ereignis teilgenommen. Ein paar Informationen gesammelt. Du weißt schon, Spionage und so weiter.«
»Du warst auf dem Ball des Gouverneurs?«
»Ja.«
»Du überraschst mich immer wieder«, stellte Pertiz belustigt fest. »Das war sicherlich eine Veranstaltung, auf der unsereins nichts verloren hat. Wie bist du überhaupt hineingekommen?«
»Wenn man ein wenig Geld hat, dazu den Anschein erweckt, noch mehr zu haben, und die richtigen Floskeln kennt, ist das nicht allzu schwer. Die Leute sehen dann, was sie sehen wollen.«
»Und, was wollten sie sehen?«
»Einen hiscadischen Sér, der vor der Besetzung seines Landes geflohen ist und sein Gold nun in der Sturmwelt verprasst, wo seine Vorfahren es vermutlich geraubt haben. Ich kenne diese Sorte, man begegnet ihnen in meiner Heimat an jeder Ecke. Noch häufiger sind nur diejenigen, die sich Sér nennen, keinen Solar am Leib tragen, dafür genug Ehre für ein ganzes Regiment, und eine lose Zunge samt losem Degen ihr Eigen nennen. In manchen Vierteln meiner Heimatstadt kann man keine Straße hinabgehen, ohne ein halbes Dutzend Duelle auszufechten.«
Jetzt lachte der Kapitän. »Das klingt anstrengend, aber ich glaube, für dich war es eine gute Schule. Gut für dich, schlecht für Quibon.«
Die Erinnerung an den Hünen vertrieb Jaquentos gute Stimmung für einen Augenblick. Quibon, Deguay und … Rahel.
»Wenn sie tatsächlich auch nur einen Funken Stolz hätten, würden sie ihre Klingen gegen die Géronaee ziehen, anstatt sich gegenseitig wegen echter oder eingebildeter Beleidigungen abzustechen.«
»Vermutlich«, erwiderte Pertiz mit hochgezogener Augenbraue. »Aber nicht jeder ist ein Soldat. Und nicht jeder will für ein staubiges Stück Land sterben.«
»Du hast recht. Es ist müßig, sich darüber aufzuregen. Es ist ja nicht so, als ob ich mich anders verhalten würde.«
»Man kann auch für ein Ideal kämpfen, Freund Jaquento, es muss ja nicht immer ein Land oder eine Nation sein. Denkst du, alle Thayns auf der Fregatte riskieren ihre Haut tatsächlich allein für Königin und Vaterland? Warum müssen die Matrosen dann gepresst werden? Warum gab es vor Jahren diese große Meuterei wegen zu geringer Heuer?«
»Fragst du dich nicht manchmal, wie das wäre? Sich so einem Ideal zu verschreiben? Sich mit Körper und Seele, mit Haut und Haaren hinzugeben? Einen Glauben zu besitzen, der alles andere unwichtig erscheinen lässt?«
»Nein«, erwiderte Pertiz ernst. »Das muss ich mich nicht fragen.«
Überrascht blickte der junge Hiscadi seinen Freund an. Er suchte nach Zeichen von Spott in seinen Zügen, doch er sah nur Aufrichtigkeit. Zweifelnd schaute er auf die See hinaus.
»Nun ja, die Zeiten, als die Welt unter den Fußtritten der hiscadischen Regimenter erbebte, sind ohnehin vorüber.«
»Sie verlässt die Kajüte«, erwiderte Pertiz, was den jungen Hiscadi für einen Augenblick verwirrte. Da sah er, dass Pertiz sich umgedreht hatte und zum Heck schaute, wo tatsächlich ihre Passagierin gerade an
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