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Sturmwelten 01

Sturmwelten 01

Titel: Sturmwelten 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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und flüsterte: »Du gehörst zu mir.«
    »Aye, aye, Meséra.«
    Der Abstieg über die schaukelnden Seile in die nicht minder schaukelnden Boote war nicht einfach, und beinahe wäre der junge Mann ins Wasser gestürzt, doch der Steuermann des Bootes fing ihn auf und zog ihn über die Bordwand ins Trockene.
    »Vorsicht, Freund, hier soll es Haie so groß wie drei Mann geben«, warnte der hochgewachsene Mann und klopfte Jaquento auf die Schulter. »Die reißen einen mit einem Biss in zwei Teile.«
    »Danke«, murmelte Jaquento und setzte sich auf.
    »Ich schätze, du bist noch ein wenig erschöpft von der schweren Arbeit … in der Kammer!«
    Die Ruderer brachen in Gelächter aus, und Jaquentos Gesicht wurde heiß. Seine Lippen wurden schmal, als er den Mann fixierte.
    »Wollt Ihr mich beleidigen, Mesér?«
    Ohne auf das Lachen der anderen zu achten, ließ Jaquento den Steuermann nicht aus den Augen. Über der Insel ertönte der Ruf eines der Vögel, lang und klagend, wie ein Trauerlied. Der Steuermann sah auf Jaquento hinab, die Hand am Ruder, immer noch grinsend.
    »Nein, Freund. Du bist ein Glückspilz. Uns anderen bleibt nur harmloser Spott. Daran wirst du dich an Bord eines Schiffes gewöhnen müssen.«
    Noch hielt der Zorn Jaquento gepackt, ohne dass er wusste, was er darauf erwidern sollte. Da streckte ihm der Mann die Hand entgegen und sagte: »Ich bin Pertiz, einer der Offiziere dieses schmucken Schiffes.«
    Mürrisch blickte Jaquento an dem Mann vorbei zu Rahel, die elegant vom Seil in ein anderes Boot sprang. Dann ergriff er die Hand und ließ sich aufhelfen.
    »Nimm es nicht tragisch. Morgen muss ein anderer den Spott ertragen.«
    Die Stimme des Mannes war weich und sehr dunkel, mit einem kaum wahrnehmbaren Akzent, den Jaquento für géronaisch hielt. Wie alle an Bord benutzte er die Sprache der Thayns. Als Konzession an die Hitze trug Pertiz nicht mehr als eine dünne Stoffhose und ein offenes Hemd, doch er hatte zwei schwere Ledergürtel mit zwei Pistolen, einem Entermesser und einem Parierdolch um die Hüften geschlungen.
    »Ihr wart nicht beim Essen des Kapitäns vor einigen Tagen«, stellte Jaquento misstrauisch fest.
    »Nein, ich hatte Wache. Und danach hat man deine Nase nicht sehr häufig an Deck gesehen.«
    Das Zwinkern und das breite, ehrliche Lächeln nahmen den Worten ihre Spitze, aber hinter Jaquento rief ein dürrer Mann: »Rahel mag keine halben Arbeiten. Ganz oder gar nicht, sagt sie immer, ganz oder gar nicht!«
    Wieder lachten alle, aber bevor Jaquento etwas sagen konnte, erwiderte Rahel laut: »Und deshalb lasse ich dich nur noch das Deck schrubben, Erry. Überall sonst schaffst du ja nicht einmal die Hälfte der Hälfte der Arbeit!«
    Dies ließ die Seeleute noch lauter lachen und Obszönitäten brüllen, was Rahel mit einer kleinen Verbeugung quittierte. Sie hatte einen Fuß gegen die Bordwand gestemmt, die Hände in die Hüften, und der Seewind trieb ihr das Haar um die Schultern. Auch sie lachte, und Jaquento glaubte, das Funkeln in ihren Augen sehen zu können.
    »Ich könnte dir zeigen, was ich sonst noch alles kann – vielleicht sogar besser als dein Grabado «, rief Erry zurück.
    »Was sollte das denn sein, Mesér?«, fragte Jaquento ruhig. »Habt Ihr eine neue Methode entwickelt, den Wischer zu schwingen? In diesen Dingen habe ich keinen großen Ehrgeiz, müsst Ihr wissen.«
    »Genug geredet!«, fuhr Rahel dazwischen und blinzelte Jaquento verschwörerisch zu. »Ablegen!«
    Nach und nach erstarb das Lachen, als die Seeleute sich in die Riemen legten. Jaquento fand seinen Platz im Heck des Bootes, zu Füßen von Pertiz, der ruhig Kommandos gab. Es dauerte einige Schläge, bis Jaquento den Rhythmus seiner Bootsgefährten fand, aber dann fühlte er, wie sich ihre Kraft vereinte und das große Boot durch die Wellen trieb. Das Rudern war anstrengend. Schon bald spürte der junge Mann die Muskeln in Schultern und Armen, und sein Atem ging stoßweise.
    »Schneller«, trieb Pertiz sie an, »oder wollt ihr, dass wir als Letzte am Strand sind?«
    Mehr und mehr Kraft legte Jaquento in die Züge, bis ihm der Schweiß in der prallen Sonne über die Haut lief. Auch die anderen ruderten entschlossener, und Jaquento stellte mit großer Zufriedenheit fest, dass sie eines der anderen Boote hinter sich ließen. Er konnte sehen, wie sie sich ebenfalls härter in die Riemen legten, doch es gelang ihnen nicht mehr, aufzuschließen. Da er mit dem Rücken zum Bug saß, konnte Jaquento nicht sehen, wie

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