Sturmwelten 01
beäugte Rahel ihn misstrauisch. »Das ist alles eine Frage des Blickwinkels. Gib mir auch.«
Das Wasser war erstaunlich kühl, oder vielleicht war Jaquento auch noch zu erhitzt. Einige Tropfen rannen aus dem Krug und liefen seinen Hals hinab.
»Ich will auch«, wiederholte Rahel und packte den tönernen Krug. Während sie gierig trank, genoss Jaquento den Anblick ihres nackten und verschwitzten Körpers. Tatsächlich hatte es nicht sehr lange gedauert, bis er ihren Reizen erlegen war. Ob ein Krug mit Wasser oder ein Mann, sie bekommt tatsächlich, was sie will, dachte er. Nicht dass ich ihr großen Widerstand geleistet hätte. Sie ist eine schöne Frau.
»Hast du mich deshalb auf das Schiff verschleppt?«, fragte er leichthin.
»Nein. Obwohl ich gestehen muss, dass das bestimmt auch eine Rolle gespielt hat«, erklärte sie ernst, um dann zu grinsen. »Ohne uns wärst du längst Treibgut im Hafen. Ich hatte also keine Wahl.«
»Bist du dir so sicher, dass ich mich nicht hätte allein durchschlagen können?«
Sie schwieg einige Momente, sodass Jaquento eine Augenbraue hob. Ihre Augen blickten zu der niedrigen Decke empor.
»Ich habe dich nicht getäuscht. Ich spüre die See in dir, Jaquento. Es ist wie das Rauschen einer Muschel. Der Käpt’n denkt das ebenfalls.«
»Der Kapitän … ihr haltet alle sehr viel von ihm, nicht wahr?«
»Wir sind keine Marineaffen, die unter der Knute leben und jeden Tag Angst vor der Neunschwänzigen haben müssen. Wir sind freie Männer und Frauen, ein jeder an Bord. Und wir haben ihn aus unserer Mitte gewählt. Das sollte dir alles sagen, was du wissen musst.«
»Eine schöne Rede«, erwiderte Jaquento spöttisch, »wenn man bedenkt, dass die Hälfte eurer Leute einen Stockfisch zum Kapitän wählen würden, wenn er ihnen bloß einen Becher Rum verspricht.« Aber er wurde ernst, als er ihren finsteren Gesichtsausdruck sah. »In meiner Heimat gab es Zeiten, lange vor den Königen aus Géronay, da war es ähnlich, weißt du?«
»Tatsächlich?«
»Ja. Damals wurden die Anführer aus der Mitte meines Volkes gewählt. Die Landbesitzer stellten ihre Favoriten, und dann …«
Er sah, wie sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen verengten, und unterbrach sich: »Was ist?«
»Was ihr Hiscadi früher gemacht habt, interessiert mich nicht. Vielleicht konntest du früher einmal die Damen deiner Heimat damit beeindrucken, dass du so schlau bist, aber mich nicht.«
»Verzeihung, ich wollte nicht … überheblich wirken«, entgegnete Jaquento verblüfft. Was hat sie nur?, fragte er sich. Doch Rahel hatte sich halb erhoben und lachte bereits wieder.
»Ich glaube dir nicht, dass es dir leidtut! Beweise es!«
»Du kleines …«
In gespielter Wut bäumte der junge Mann sich auf, hatte jedoch nicht die Lage der Koje bedacht, die unter den plötzlichen Bewegungen zu schwanken begann. Immer noch lachend, warf sich Rahel auf ihn und drückte ihn zurück in die Hängematte.
»Ruhig, sonst landen wir noch auf dem Boden«, befahl sie grinsend und schob ihre Hand langsam seinen Bauch hinab. »Ganz ruhig. Einfach … nicht bewegen.«
Ihre Stimme war kaum mehr als ein kehliges Flüstern, und sie beugte sich zu ihm hinab, bis ihr Haar über sein Gesicht fiel und ihre küssenden Lippen wie hinter einem Vorhang verbarg. Sofort spürte Jaquento die Reaktion seines Körpers auf ihre Berührung, er stemmte sich gegen ihren Druck, spürte ihre Haut auf der seinen.
»Land ho!«, erklang unvermittelt ein lauter Ruf über ihnen. »Steuerbord voraus!«
Sofort richtete sich Rahel auf und sprang mit einer flinken Bewegung aus der Koje. Ihre Bewegung ließ die Koje schaukeln, sodass Jaquento sich festhalten musste.
»Land«, wiederholte sie unnötigerweise. »Wir werden gebraucht, Seemann. Wir müssen Frischwasser an Bord nehmen, also zieh deine Hose an und mach dich bereit, einige schwere Fässer zu schleppen.«
»Haben wir nicht noch ein wenig Zeit?«, erkundigte sich Jaquento seufzend und ließ sein Haar ins Gesicht fallen. Er lächelte und sah Rahel einladend an, die sich zu ihm hinabbeugte, um ihn zu küssen. Mit einem Ruck richtete sie sich wieder auf und gab der Koje einen Stoß, der Jaquento dazu zwang, sich auf dem Boden abzurollen.
»Später«, versprach sie grinsend, während er sich aufrappelte. »Jetzt gibt es erst einmal Arbeit.«
»Ich nehme Euch beim Wort, Meséra«, erwiderte Jaquento feierlich und knöpfte sein Hemd zu. Doch Rahel verließ bereits die Kammer und lief an Deck hinauf.
Weitere Kostenlose Bücher