Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
gegenüberstanden, zwölf Herzschläge lang. Sein Gesichtsausdruck gab keinen Aufschluss darüber, ob ihm gefiel, was er sah. »Aber ich kann euch versichern, es liegt nicht in meiner Absicht, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Alles, was ich will, ist, dieses verfluchte schwarze Schiff und seine Ladung zu finden.«
ROXANE
»Wir sollten von hier verschwinden, Jaq.«
Die Stimme des Mauresken war ruhig, aber seine Worte waren deshalb nicht weniger drängend. Roxane musste zugeben, dass er recht hatte. Andererseits war sie bis auf die Haut durchnässt und bis auf die Knochen durchgefroren, und der Gedanke daran, aufzustehen und irgendwohin zu laufen, war wahrlich nicht verlockend.
»Wir brauchen ein Feuer«, erwiderte der junge Hiscadi, als habe er ihre Gedanken gelesen, und nieste, als wolle er die Worte unterstreichen. »Oder wir holen uns alle eine Lungenentzündung.«
»Zu spät«, murmelte Groferton, der zusammengesunken auf einem Felsen saß. Der Maestre hatte die Schultern hochgezogen und die Arme um sich geschlungen. Er wirkte wie ein Häufchen Elend, und diesmal glaubte die junge Offizierin ihm sogar, dass es schlecht um ihn bestellt war. Ihre Rettung hatte seine Kräfte aufgezehrt, und er war blass und zitterte.
Auf See kämpfte die Todsünde noch immer gegen die Naturgewalten. Das Piratenschiff wurde von einer Regenwand eingehüllt, die langsam in Richtung Küste zog, aber Roxane konnte erkennen, dass es trotz größter Anstrengung kaum Abstand gewinnen konnte. Vielleicht haben wir euch genug zusammengeschossen, dass ihr unser Schicksal teilt .
Jaquento bemerkte ihren Blick und verzog das Gesicht. »Er wird es schaffen. Er ist ein guter Kapitän, und das Schicksal hilft Bastarden wie ihm für gewöhnlich.« Die Echse saß auf seinem Schoß und hatte die Augen geschlossen, als schlafe sie.
»Noch hat er nicht gewonnen«, erwiderte sie, aber insgeheim gab sie ihm recht.
Wenn nicht etwas Außergewöhnliches geschah, würde die Todsünde das schlechte Wetter ausreiten können, ohne an die Klippen gedrückt zu werden.
Von den anderen Schiffen war nur noch der Rumpf einer géronaischen Fregatte zu sehen, der auf dem Riff saß und von den Wellen geschlagen wurde. Das schwarze Schiff war vom Wind gnadenlos an die Küste getrieben worden und musste dort zerschellt sein, nachdem es aufgegeben worden war, auch wenn Roxane seinen Untergang nicht gesehen hatte. Ihr eigenes Schiff, ihr einziges und letztes Kommando, hatte dieses Schicksal geteilt. Immerhin habe ich mir das Kriegsgericht jetzt gleich zweimal verdient, dachte sie mit einem Anflug von Galgenhumor. Jegliche törichte Hoffnung auf eine Rehabilitation kann ich nun wohl vergessen . Der Gedanke war bitter, aber weniger schlimm, als sie erwartet hätte. Im Augenblick war sie keine Offizierin mehr, sondern nichts als eine Schiffbrüchige an einer gefährlichen und feindseligen Küste.
Nachdem sie an Land gezogen worden waren, hatten sie einige Minuten verschnauft, bevor Bihrâd sie zwischen zwei hohen Felsen zu einem Durchgang geführt hatte, hinter dem ein schmaler, kaum begehbarer Pfad versteckt lag. Roxane konnte nicht sagen, ob der Weg die Klippen empor von Menschenhand geschaffen worden oder eine Laune der Natur war, aber der Aufstieg war schwierig gewesen, auf nassen, rutschigen Steinen, und sie hatten mehr klettern als gehen
müssen. Jetzt kauerten sie auf einem Fleck feuchten Erdreichs inmitten der schroff aufragenden Felsen, vielleicht einige hundert Schritte von der aufgewühlten See entfernt.
Irgendwo im Süden mussten die Boote an den Strand gelangt sein, zumindest hoffte die junge Offizierin das. Erkennen konnte sie auf dem tobenden Meer und in den Regenschauern nichts.
Das Land hier war karg und steinig, und die einzige Vegetation bestand aus Gras, Moos, Flechten und einigen niedrigen, vom Wind gebeutelten Büschen. Balcera musste im Norden liegen, keine zehn Meilen entfernt.
»Womit willst du Feuer machen?«, erkundigte der Maureske sich.
Jaquento wies auf Groferton: »Mit ihm.«
»Vielen Dank, aber ich bin Maestre, kein Zunderkasten, und zudem ein recht erschöpfter Maestre, der es vorziehen würde, wenn andere sich dieses Problems annehmen.«
Groferton schniefte lautstark und sah den jungen Hiscadi vorwurfsvoll an. Doch der ließ sich davon nicht beeindrucken.
»Ich habe keine Feuerhölzer, Mesér, und keine sonstigen Hilfsmittel, um ein Feuer in Gang zu bringen, aber wir benötigen eines. Ich kann Holz sammeln«,
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