Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
eine nautische Meisterleistung meinerseits?«
Er ignorierte ihren Spott.
»Nein. Aber vielleicht … habt Ihr eine innere Stimme gehört … oder so etwas?«
Ich kann nur mit dir reden , protestierte Sinosh, der vorher verdächtig still geblieben war. Das habe ich dir doch schon gesagt !
Aber der junge Hiscadi ging nicht auf die kleine Echse ein. Er wollte Gewissheit.
»Nein, auch wenn ich wünschte, es wäre so. Es war Zufall, Glück oder von mir aus auch Schicksal, wenn Sie daran glauben. Ich habe mir schon das Hirn zermartert, aber es gibt keine sinnvolle Erklärung außer dieser.«
Ihr Seufzen zeigte ihm, dass sie die Wahrheit sagte.
Zufrieden ?
Für den Augenblick war Jaquento das tatsächlich.
Obwohl die grauen Wolken immer noch tief hängend über sie hinwegzogen, hatte es bislang keinen Regenguss mehr gegeben. Der Wind blies weiterhin stark von See und trieb die Wellen brüllend an die Felsen. Zur ihrer Rechten lag die raue Landschaft des nördlichen Hiscadi mit ihren kiesigen Böden und den kargen Wiesen. So nah an der Küste gab es keine Felder; hier lebten nur Fischer und Hirten, die mit ihren Schafen und Ziegen umherzogen. Weiter im Inland würde es Gehöfte geben, die Oliven anbauten und dunklen, schweren Wein.
Der Tag war durch die Wolken ohnehin dunkel, aber jetzt senkte sich langsam die Nacht auf sie herab. Verglichen mit den abrupten Sonnenuntergängen der Sturmwelt geschah dies nur allmählich, aber dennoch wurden die Schatten länger und tiefer, und die Welt wurde grauer.
»Wir sollten einen Rastplatz suchen«, erklärte Jaquento. »Meine Hoffnung, eine Taverna zu finden, hat sich leider zerschlagen.«
Auf eine Nacht bei diesem Wetter freute er sich gewiss ebenso wenig wie die anderen Mitglieder ihrer kleinen Gruppe, aber es blieb ihnen kaum eine andere Wahl.
Plötzlich löste Roxane ihren Arm und deutete voraus: »Was ist das?«
Im Dämmerlicht flackerte vor ihnen ein rötlicher Schimmer
am Horizont. Unvermittelt erkannte Jaquento, wo sie waren, und die Erinnerung an die Küstenstraße kehrte zurück.
»Das ist Balcera«, verkündete er lauthals. »Aber was geschieht dort?«
»Es brennt«, stellte Roxane fest. »Balcera brennt.«
SINAO
Obwohl sie die Enge des Schiffs nicht verlassen konnte, fühlte sich Sinao an Bord freier als in der Stadt; dort hätten sie auf ihren seltenen Streifzügen überall hingehen können, aber sie und Manoel hatten es kaum wagen können, sich in den Straßen und Gassen blicken zu lassen. An Deck hingegen war sie eigentümlich befreit, trotz der vielen Menschen. Vielleicht, weil das Schiff fährt , überlegte die junge Paranao. Es trug sie fort von Lessan und noch weiter fort von Hequia, und das allein zählte.
Sie war schon, ohne das Schiff je betreten zu haben, über die Menge der Seeleute auf der Mantikor erstaunt gewesen, doch auf der Imperial waren es sogar noch mehr. Sie hatte bislang zweihundertneunundfünfzig Männer und Frauen gezählt, und sie war sicher, dass sie noch längst nicht alle gesehen hatte. Und es waren nicht alle Thayns, wie sie überrascht feststellte, sondern es waren auch andere dabei, sieben Paranao und Halbherzen und fünfzehn, die nicht einmal die Zunge der Thayns sprachen. Aber egal, wie sie aussahen oder in welcher Sprache sie redeten, alle hielten Abstand von Manoel und ihr, so als litten sie unter einer ansteckenden Krankheit, die durch bloße Nähe übertragen werden konnte.
Den jungen Maestre schien dies nicht zu stören; er suchte sich ein Plätzchen inmitten der um ihn herum stattfindenden
Arbeit und legte sich in den Schatten der großen Segel. Sinao wusste nicht, wie er neuen Tabak bekommen hatte, aber er rauchte bereits wieder und machte alles in allem keinen unzufriedenen Eindruck.
Sie gesellte sich zu ihm, setzte sich auf die harten Planken, zog die Knie unter das Kinn und schlang die Arme um die Beine. Eine Zeitlang saßen sie schweigend so da, dann öffnete Manoel die Augen.
»Bist du sicher, dass du mit denen mitwillst?«
Sinao nickte trotzig. Sie hatte diese Frage früher oder später erwartet.
»Die können dir nichts beibringen, Sin. Außer wie man gerade steht und sich den Rücken gerben lässt.«
»Wie das geht, weiß ich schon«, erklärte sie. »Und wie man Leute an Balken aufknüpft, auch.«
»Darin sind sie ebenfalls ganz gut«, murmelte Manoel schläfrig.
»Aber das war die Compagnie. Die Aufseher haben uns das angetan, in ihrem Namen. Wenn ich jetzt weggehe, dann laufe ich weiter davon.
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