Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
Ich kann dann nichts mehr tun, nichts mehr ändern. Verstehst du? Ich will aber … ich will es nicht so enden lassen.« Das Flehen in ihrer Stimme war ihr selbst zuwider, doch sie wollte, dass er verstand.
Der junge Maestre schwieg und paffte an seiner Pfeife. Der süßliche Geruch zog an Sinao vorbei, bevor der beständige Wind ihn verwehte.
»Gut. Das ist deine Entscheidung, und es ist immer gut, wenn man eine trifft. Besser, als ewig nichts zu tun. Du hast deinen eigenen Kopf.« Sein Lächeln war breit, als er das sagte. »Keine schlechte Voraussetzung für eine Maestra.«
»Ich bin keine Maestra.«
»Noch nicht«, erwiderte Manoel und setzte sich auf. Das Lachen verschwand aus seiner Stimme. »Noch nicht ganz.
Aber bald, Sin, und dann wirst du gut sein. Mächtig und stark. Du sagst, du willst etwas ändern. Du hast das in dir. Wenn ich dir mehr beibringen darf, dann kannst du mehr tun als dieses Schiff, auch mit all seinen Kanonen und Männern.«
»Und Frauen.«
»Ja, die auch. Wenn du schlau bist, und du bist schlau, oder nicht?«
Sie nickte und er ebenso.
»Wenn du schlau bist, dann kannst du der Compagnie mehr Schaden zufügen, als du dir vorstellen kannst. Du kannst dich für alles rächen, was sie mit dir und deinen Leuten gemacht haben.«
»So wie du und deine Piraten?«
Hastig blickte der junge Maestre sich um.
»Vorsichtig mit diesem Wort hier. Freie Händler heißt das, Sin, freie Händler.«
Sie ließ nicht locker. »So wie du?«
Er überlegte sehr lange, bevor er antwortete: »Nein. Manche von uns vielleicht. Aber die meisten wollten nichts ändern. Sie wollten nur ihr Glück machen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich etwas ändern wollte oder ob ich auch nur davongelaufen bin.«
»Und jetzt sind deine Freunde, diese freien Händler, gefangen.«
Mit einem Gähnen legte Manoel sich wieder zurück. Seeleute stiegen die Masten hinauf, begannen an den Segeln zu arbeiten. Das Schiff glitt durch die Wellen, spaltete sie mit seinem Bug, und die geblähten Segel trieben es immer weiter voran, auf ein Ziel zu, das für Sinao im Dunkeln lag.
»Wirst du ihnen helfen?«
»Wem?« Er klang verwirrt, als ob seine Gedanken schon wieder ganz woanders weilten.
»Deinen Freunden.«
»Da ich es nicht kann, stellt sich mir diese Frage nicht. Sie hatten Glück, kein Hanftanz für sie. Nur Dienst an Bord von Schiffen wie diesem hier. Wem das nicht passt, der kann abhauen und sich zu den üblichen Orten durchschlagen. Manchmal heißt es eben, jeder kämpft für sich allein.«
Darüber musste Sinao nachdenken. Auf Hequia hatten viele der Sklaven so gedacht. Aber Majagua nicht. Er war nicht nur für sich eingetreten, sondern für alle, selbst für jene, die ihn verlacht und verraten hatten. Vielleicht war er deshalb so stark gewesen, und vielleicht hatte er deswegen sein Ziel erreicht.
»Und was ist jetzt mit dir? Kommst du mit?«
Die Frage hatte ihr lange auf dem Herzen gelastet. In dieser Welt war er das Einzige, was ihr geblieben war. Ein Anker in der stürmischen See, die sonst mit ihr tat, was sie wollte, seinen Versprechungen von großer Macht zum Trotz.
»Mit den Thayns? Das wird nicht gutgehen, fürchte ich«, erklärte er, ohne sie anzusehen. »Wir passen nicht zusammen, die ganzen Leute in ihren engen Uniformen und ich, das ist wie … wie Hering mit Schlagsahne. Schmeckt nicht.«
»Und wenn ich dich darum bitte?«
»Dann sage ich: Komm lieber du mit mir. Vergiss die Marine. Die macht nichts, macht nie etwas. Außer alle zu schikanieren. Jetzt gerade will sie etwas von uns, deswegen behandelt man uns gut. Hätten wir nicht erlebt, was wir erlebt haben, würde man uns aufknüpfen. Oder uns so lange mit Traumstaub vollstopfen, bis wir nicht mal mehr wissen, wo oben und wo unten ist.«
Jetzt blickte er sie an, und ein Flehen lag in seinen dunklen Augen. Er fürchtet sich , erkannte Sinao unvermittelt, und das erschreckte sie.
Hinter sich hörte sie ein Geräusch. Die Tür im Heckaufbau schwang auf, und der Admiral trat an Deck. Seine gebeugte
Gestalt warf einen langen Schatten auf das Holz, aber sein helles Haar funkelte beinahe im Licht der Sonne. Bedächtig stieg er auf das Achterdeck hinauf.
»Er ist anders«, erklärte sie leise, doch Manoel zuckte nur mit den Schultern.
»Vielleicht. Aber auch er ist nur ein Mann. Was macht einer schon für einen Unterschied?«
Wenn es einer wie Majagua ist, macht er allen Unterschied .
Sinao folgte dem Weg des alten Mannes mit ihrem Blick. Alle, denen
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