Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
und Frauen an Bord und einer wohlgewählten Positionierung des Schiffes durch die kommissarische Kapitänin, konnte die Mantikor eines der gegnerischen Schiffe versenken und zwei weitere so schwer beschädigen, dass sie kurze Zeit später versanken,
bevor sie selbst schlussendlich aufgegeben werden musste. Während sich ein Großteil der Besatzung an Land retten konnte, blieb Kapitän Hedyn bis zum Schluss an Bord und ruht nun wohl in einem nassen Grab. Admiral Barrows sagte gegenüber dem Chronist , dass Roxane Hedyn selbstverständlich posthum das Kapitänspatent dauerhaft verliehen worden sei. Ihm und allen anderen Angehörigen der Marine Ihrer Majestät sei es eine besondere Ehre, mit Hedyn gedient zu haben. «
Der Maestre senkte die Zeitung und strahlte Roxane an.
»Groferton, haben Sie mir gerade mitgeteilt, dass ich offiziell verstorben bin?«, fragte die junge Offizierin mit versteinerter Miene, doch der Maestre ließ sich nicht beirren.
»Befördert, Thay! Man hat Sie befördert! Niemand wirft uns vor, die Mantikor verloren zu haben. Unsere Zukunft ist gesichert; sie werden uns bei unserer Rückkehr nach Thaynric mit allen Ehren bedenken. Ich schätze, es sollte kein Problem sein, den kleinen Irrtum über Ihr Ableben aufzuklären, und Ihr neuer Rang wird Ihnen natürlich erhalten bleiben.«
Und das ist das Ende unserer gemeinsamen Reise, dachte Jaquento plötzlich. Und das Ende von uns, wenn es je ein uns gegeben hat. Nun wird sie unweigerlich nach Thaynric und zu ihrer geliebten Marine zurückkehren. Erst in diesem Moment wurde ihm bewusst, dass ein Teil von ihm die ganze Zeit gehofft hatte, dass es anders kommen würde. Dass Roxane dem Militär den Rücken kehren würde, dass sie zusammenbleiben könnten – irgendwie. Aber natürlich war dies eine blinde Hoffnung gewesen, auf nichts gegründet als seine eigenen, törichten Wünsche.
»Gratuliere, Kapitänin Hedyn«, murmelte er.
Sie hob energisch die Hand. »Bitte, nicht. Zuerst muss ja noch, wie Mister Groferton es auszudrücken beliebte, der kleine Irrtum über mein Ableben aufgeklärt werden.«
»Aber …«, begann der Maestre.
»Halten Sie die Klappe, Groferton«, entgegnete Roxane forsch. »Und das ist ein Befehl. Bihrâd, wenn Sie sich sicher sind, dass die Todsünde wirklich in Boroges vor Anker liegt, dann sollten wir sofort und ohne Umschweife dorthin aufbrechen.«
»Das ist genau meine Meinung«, verkündete der Maureske. »Ich kann es kaum erwarten, dem Capitane ein paar Worte zu sagen«, fügte er finster hinzu.
Der Ritt nach Boroges verlief, nachdem sich das Wetter deutlich verschlechtert hatte, ereignislos; jeder hing bei dem Regen seinen Gedanken nach, und als die Dämmerung hereinbrach, sahen sie vor sich die ersten Umrisse der Häuser der Stadt auftauchen.
Vielleicht war dies die letzte Gelegenheit, mit der jungen Thayn zu reden. Jaquento ließ Groferton und den Mauresken ein Stück vorausreiten und lenkte sein Pferd neben ihres.
»Roxane?«, sagte er leise.
Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Ja?«
»Ich wollte dir nur sagen … Es bleibt unter uns, mach dir keine Sorgen.«
Sie lächelte. »Und ich wollte dir sagen, dass ich niemals zugelassen hätte, dass man dich in Loidin hängt. Niemals, was auch geschehen wäre. Ich will, dass du das weißt.«
»Thay!«, rief Groferton urplötzlich durch den Regen und hielt sein Pferd an. »Schauen Sie mal, wer außer uns noch der Todsünde seine Aufwartung macht!«
In stillem Einverständnis ritten Jaquento und Roxane rasch den flachen Hügel hinauf, auf dessen Kuppe der Maestre und Bihrâd angehalten hatten. Von hier aus konnte man nicht nur die Stadt, sondern auch den Hafen überblicken.
Jaquento erkannte trotz des dämmrigen Lichtes sofort die Umrisse der Todsünde. Sie lag neben einem Dutzend größerer
und kleiner Schiffe vor Anker, die größtenteils die Flagge von Géronay zeigten.
»Das muss die Tonnant sein«, erklärte Roxane aufgeregt und deutete auf ein eindrucksvolles Schiff, das ein Stück weiter draußen in der Bucht zu sehen war. »Ein Linienschiff. Und dort, zwei Fregatten und drei Korvetten!«
Neben dem Kriegsschiff standen noch eine Reihe kleinerer Schiffe nahe der Hafeneinfahrt, gerade weit genug entfernt, um den Kanonen der Befestigungsanlagen kein Ziel zu bieten.
»Das Blockadegeschwader hat ein Auge auf den Hafen«, stellte Groferton fest. »Der Admiral muss enge Blockade befohlen haben. Der Rest wird weiter draußen im Wind liegen und auf Meldung
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