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Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln

Titel: Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Blut in die Nase, und als sie ihn an der Schulter berührte, wurden ihre Finger nass. Vorsichtig drehte sie ihn um, doch obwohl sie sanft zugriff, keuchte der Mann vor Schmerzen auf. Sein ganzer Uniformrock war feucht von Blut und vorn aufgerissen, aber Sinao sah nicht hin, denn sie ahnte, was der Mann dort mit beiden Armen bedeckte. Rote Spritzer waren auf seinen Wangen, und als er den Mund aufriss, waren seine Zähne blutig rot.
    »Lauf weg«, flüsterte er, als seine Augen sie erblickten. »Lauf, Mädchen, sonst fressen sie dich auch.«
    Neben ihr ging Manoel in die Hocke und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Bei der Einheit«, murmelte er.
    Der Soldat lächelte, als sein Blick an Sinao vorbei in den Nebel ging. Sein Atem ging keuchend, er schnappte nach Luft, und sein Gesicht verzog sich, als würde er mitten an Land ertrinken.
    »Hilf ihm«, flehte Sinao, und Manoel nickte. Seine Finger glitten über die Kleidung des Sterbenden. Er sammelte Vigoris, leitete sie durch seine Finger, versuchte, alle Verletzungen zu heilen. Doch es war zu spät. Die Atmung des Mannes wurde langsamer; ein kurzer, gequälter Zug noch, dann setzte sie ganz aus.
    Ungewollt stiegen Sinao Tränen in die Augen. Sie kannte den Toten nicht, aber dennoch erschütterte sie sein Anblick. Sie erhob sich und schlang sich die Arme um den Leib.
    Thyrane stieg zu ihr herab, legte ihr die Hand auf die Schulter und führte sie vorsichtig fort.
    »Er hat gesagt, sie hätten ihn aufgefressen.«

    »Wer? Wer hat das getan?«, hakte Thyrane nach, aber die junge Paranao schüttelte den Kopf. Sie zog die Nase hoch und wischte sich trotzig die Tränen aus den Augenwinkeln.
    »Das … konnte er nicht mehr sagen.«
    »Bei der Einheit«, entfuhr es Leutnant Fallton, der den Toten untersuchte. »Der Mann sieht aus, als hätte man ihn von Kopf bis Fuß aufgeschlitzt. So etwas habe ich noch nicht gesehen. Das müssen Wilde sein, die so kämpfen. Schauen Sie einmal, Thay, das sind außergewöhnliche Wunden.«
    »Wir kämpfen nicht so«, zischte Sinao, wohl wissend, dass die Blassnase ihre Leute als Wilde bezeichnete.
    »Lassen Sie’s gut sein, Leutnant«, unterbrach Thyrane. »Wir gehen weiter, aber jeder soll doppelt achtsam sein. Schicken Sie Späher an die Flanken, und postieren Sie Wachen hinter uns. Ich will nicht, dass das, was den Mann erwischt hat, uns ohne Warnung trifft.«
    Sie gingen weiter hinab und erreichten den Fuß der Treppe. Blut war die Stufen hinabgeflossen, und sammelte sich nun in den Fugen der Steine. Weiter vor ihnen zeichneten sich mehr Blutflecken ab, zu viel Blut, als dass es von einem einzelnen Mann stammen konnte.
    Der Admiral spannte den Hahn seiner Waffe und legte ein Zündplättchen ein. Sinao lief hinter Manoel her, der sich aufmerksam umsah und immer wieder hochblickte. Alles hier war unwirklich, das Gebäude inmitten des Nebels, die Landschaft ohne Laute, so als wären sie an einem fernen Ort und nicht auf einer von Anuis Inseln.
    Ein Schuss ertönte vor ihnen, dann krachte ein zweiter, dann noch zwei in schneller Folge. Sie kamen aus dem Gebäude, aus dem dunklen Umriss vor ihnen, in dem sich ein noch dunkleres Loch abzeichnete, ein Eingang, den Sinao nicht betreten wollte. Alle Haare in ihrem Nacken standen ihr zu Berge, und ein Schauer lief ihr über Arme und Rücken.

    Ein Brüllen beantwortete die Schüsse; ein Brüllen, wie es keine menschliche oder tierische Kehle hervorbringen können sollte; tief, grollend, voll Zorn und Hass, so stark, dass sie alle mitten im Schritt innehielten.
    »Maestre, können Sie mir sagen, was das war?«, fragte Thyrane langsam.
    »Gewiss nichts Gutes«, erwiderte Manoel und atmete durch gespitzte Lippen aus. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich weiß es leider nicht.«
    Neun Sekunden lang geschah gar nichts. Aber dann spürte Sinao etwas, ein dumpfes Grollen, einen Stoß in ihren Beinen, der alles um sie herum zum Beben brachte.
    Ein heller Funke glühte in der Dunkelheit der Pforte auf, ein kleines, wildes Auge, das wuchs. Sinao blickte sich um, doch alle anderen schienen vor Schreck erstarrt zu sein. Dann spürte sie auf einmal etwas sehr, sehr Merkwürdiges. Sie fühlte, dass die Sekunden langsamer vorbeizogen, zäher, und sie fühlte sich, als sei sie zwischen die Augenblicke geglitten, dorthin, wo nichts sein konnte, wo es keine Zeit gab.
    Die Sekunden dehnten sich, und das feurige Auge dehnte sich weiter aus, wurde größer, nahm den gesamten Durchgang ein, näherte sich ihr in

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