Sturmwelten 02. Unter schwarzen Segeln
rief Deguay, und Tareisa hätte schwören mögen, dass er dabei laut lachte.
Wieder schossen Soldaten aus der Takelage der Korvette, und Splitter flogen an Deck der Todsünde umher, bohrten sich in Tareisas Kleidung und in ihre Haut. Der Schreck ließ sie zusammenfahren und sich hinter die Schanz ducken.
»Ein wenig Hilfe wäre nicht unwillkommen«, rief der Capitane so unbeschwert, als ob er scherzte. Er trotzte dem Angriff hoch aufgerichtet. Unter seinem amüsierten Blick richtete sich auch Tareisa wieder auf und versuchte, ihre Würde zurückzuerlangen.
Mit einem letzten, vernichtenden Blick auf Deguay öffnete sie sich der Vigoris und schloss dann die Augen. Sinneseindrücke bestürmten sie, auch wenn die Struktur des Nebels bereits an vielen Stellen aufbrach. In ihrer Nähe spürte sie die verräterische Leere eines Caserdote; er musste sich auf der Sanx befinden. Hastig ließ sie Vigoris durch ihren bereits geschundenen Leib fließen, so dass sie vor Schmerzen aufstöhnte, als die Magie sich wie flüssiges Feuer durch ihre Adern wand.
Auf der Korvette schien man sich vom ersten Schock mittlerweile erholt zu haben, denn nun brüllten die Kanonen des Kriegsschiffs auf. Geschosse rasten auf die Todsünde zu – und prallten jaulend und kreischend an dem Schild ab, den die Maestra im letzten Augenblick errichtet hatte. Schon bemerkte sie, wie die Magie an den Rändern ihres Zaubers ausfranste, sich verlor und von der unaufhaltsamen Macht des Caserdote ins Nichts gewirbelt wurde, aber es hatte gereicht.
Die Antwort der Piraten kam sofort. Die beiden Schiffe befanden sich nun längsseits, kaum mehr als ein Dutzend Meter getrennt, und die Geschütze der Todsünde zerfetzen und zerschlugen Holz und Fleisch, wo immer sie trafen. Die Korvette verschwand hinter einer Wand von Rauch, doch die Schreie, die zu ihnen herüberdrangen, erzählten zur Genüge von Tod und Vernichtung.
»Wir sind Euch zu Dank verpflichtet. Ihr habt diesem Schiff nicht nur durch Eure Anwesenheit Glanz und einen Hauch von Adel verliehen, sondern es auch vor der sicheren Vernichtung bewahrt.«
Deguays halb spöttische Worte flossen an Tareisa vorbei, der Schweiß auf die Stirn trat, als sie versuchte, Herrin über die Schmerzen zu werden. Ihr ganzer Leib zitterte vor Anstrengung, und die Vigoris hatte einen metallischen Geschmack auf ihrer Zunge hinterlassen. Vereinzelt feuerten Kanonen
ihres Gegners, und hier da knallten Musketen und Pistolen, doch auch all das war ihr seltsam fern, wie ein Traum nach dem Erwachen, schwer greifbar und ohne Substanz.
Ihre Beine versagten ihr den Dienst, und sie sackte gegen die Reling. Schon befürchtete sie, über Bord zu fallen, da griff man ihre Arme und zog sie zur Seite. Langsam glitt die Maestra zu Boden, und ihr Gesichtsfeld klärte sich.
Deguay stand über sie gebeugt, eine Pistole in der einen Hand, ein kaltes Lächeln auf den Lippen. Sie wollte sich aufsetzen, wollte sprechen, doch sie konnte nicht.
»Dieser Pakt gilt«, flüsterte der Capitane und nickte ihr zu. »Mein Wort gilt.«
Dann verschwand er, tauchte in Rauch und Nebel ein wie ein Daemon. Nebelschwaden zogen über ihr dahin, Menschen riefen unverständliche Worte. Der Geruch nach Pulver und Blut ließ nach, und endlich kehrte Klarheit in Tareisas Geist zurück. Mit dem Bewusstsein kehrten auch die Schmerzen wieder, doch es waren willkommene Boten der Kontrolle. Langsam richtete sie sich auf, erst zum Sitzen, dann auf zittrigen Beinen.
Von der Korvette war nichts mehr zu sehen; der Nebel hatte das Schiff verschluckt, als hätte es niemals existiert. Die Piraten arbeiteten an den wenigen Beschädigungen ihres Schiffs, und Deguay stand vorn am Achterdeck und gab Befehle. Mit vorsichtigen Schritten gesellte Tareisa sich zu ihm.
»Ah, Maestra Tareisa, Ihr habt Euch erholt?«
»So weit wie möglich.«
»Euer Einsatz war sicherlich kräftezehrend. Eine solche Demonstration von Macht hatte ich bislang noch nie gesehen; zumindest nicht von einer einzelnen Person.«
»Zu gütig«, entgegnete Tareisa und hustete kurz. Der Rauch klebte ihr kratzig im Rachen. »Aber was ist mit der Sanx ?«
»Oh, wir haben es ihnen gut besorgt. Als ich sie zuletzt gesehen habe, lag sie tief im Wasser. Die Lust auf einen Kampf dürfte denen mehr als vergangen sein. Mit ein wenig Glück können sie all die Löcher stopfen, die wir ihnen verpasst haben, ansonsten …«
Er sprach nicht weiter, sondern machte nur eine Geste des Sinkens.
»Ich verstehe. Sollten
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