Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste

Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste

Titel: Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
Vom Netzwerk:
Fuß vor der Gruppe an.
    Unvermittelt wandten sich die Wachen wie eine Person dem gewaltigen Spiegel zu und verneigten sich tief. Dann zogen sie sich rückwärtsgehend zurück, langsam und mit gesenkten Köpfen, als wollten sie einen unwandelbaren Respekt zum Ausdruck bringen. Oder unwandelbare Furcht.
    »Sollen wir ihnen folgen?«, fragte Roxane leise ihre Begleiter, und Jaquento hob die Hände und öffnete den Mund, um ihr zu antworten, da begann der Spiegel in einem sanften Goldton zu glühen. Jetzt konnte Roxane die ganze Größe des Spiegels erkennen, und sie musste ihre erste Einschätzung
revidieren. Er war höher als hundertfünfzig Fuß und sicherlich doppelt so breit. Und inmitten des gewaltigen goldenen Leuchtens, das er ausstrahlte, stand ihre kleine, verlorene Gruppe Corbaner.
    Und dann verschwand jede Reflektion daraus. Der Spiegel verlor seine grundlegendste Eigenschaft und wurde zu einer einfachen, golden leuchtenden Fläche.
    »Was, beim unendlichen Himmel …«, hauchte Bihrâd, der Roxane noch nie zuvor religiös erschienen war. Verwundert blickte sie den Mauresken an, aber der starrte nur auf die seltsame Wand, geradeso wie Jaquento. Als Roxane den Blick ebenfalls dorthin wendete, erstarrten auch ihre Gesichtszüge.
    In der Wand bewegte sich etwas. Ein riesiger Schatten, kaum mehr als eine Kontur, als führe jemand vor ihnen ein kolossales Schattentheater auf.
    Aber das, was sich in der Wand befand, war kein bloßer Schattenriss, sondern real, und es war gewaltig. Roxane benötigte einige Momente, um zu erfassen, was sie sah. Mit jedem Augenblick wurde das Bild deutlicher, gewann an Details und Form. Direkt vor ihnen trat ein Drache wie aus einem Nebel in das goldene Licht.
    Doch es war kein Drache wie Sinosh und nicht einmal einer wie die gewaltigen Kreaturen, die vor Boroges und auf der offenen See aufgetaucht waren. Verglichen mit dem Wesen vor ihnen waren selbst diese Drachen klein und unscheinbar.
    Der Leib des Lindwurms war schlank und elegant, wenn man das von einer Kreatur sagen konnte, die größer als die meisten Gebäude war, die Roxane je gesehen hatte. Zweihundert bis zweihundertfünfzig Fuß mochte er messen, von den Schultern bis hinab zu den Beinen. Und daran schlossen sich noch Hals und Schwanz an, beide dicker als die Stämme der gewaltigsten Bäume. Die Klauen waren mannshoch,
die Schuppen reichten von handtellergroß bis hin zu der Größe der Segel kleiner Boote. Die grundlegende Form ähnelte der Sinoshs, aber wo bei dem kleinen Drachen nur ein gewisses Potenzial durchschien, hatte es sich hier zur größten Pracht entfaltet.
    Der massige Kopf befand sich hoch über ihnen, und die unbewegten Augen waren so tief und voller uralter Dunkelheit, dass Roxane erschauerte. Alles in ihr wollte sich vor der unfassbaren Macht dieses Wesens verneigen, und es bedurfte all ihrer Kraft, nicht den Kopf in den Händen zu vergraben und die Augen abzuwenden.
    Endlose Minuten verstrichen, in denen niemand sprach, alle sich kaum bewegten und selbst ihr Atem flach und leise ging. Unergründlich ruhte der Blick des Drachen auf ihnen. Dann bewegte sich der Kopf beinah unmerklich, und Sinosh trippelte vor, das Haupt erhoben, den Schwanz hinter sich herziehend.
    In diesem Augenblick wirkte er wie eine Miniaturausgabe des riesigen Drachen in der goldenen Wand. Sinosh hielt inne, warf Jaquento einen Blick über die Schulter zu und legte dann seinen Kopf auf den Boden.
    Noch immer wagte niemand einen Laut von sich zu geben, als die Stimme des Drachen in ihren Köpfen ertönte.
    Eure Anwesenheit in meinem Reich ist nicht erwünscht.
    Für einen Moment glaubte Roxane, dass sie die Stimme ganz normal gehört hatte. Erst dann sickerte es in ihren Verstand ein, dass die Worte direkt in ihrem Geist aufgetaucht waren, ohne den Umweg über die Ohren zu nehmen.
    »Habt ihr auch …?« Ihre Stimme war rau, und sie musste schlucken.
    »Ja«, erklärte Bihrâd ehrfürchtig. In Gegenwart des gewaltigen Wesens schien es selbst ihm schwerzufallen, seine gewohnte stoische Ruhe zu bewahren.

    »Verzeiht uns unser Eindringen«, erwiderte Jaquento unvermittelt und machte eine tiefe Verbeugung. »Wenn Euer Reich dieses Land ist, dann waren wir uns dessen nicht bewusst. Wenn Ihr damit aber Danam meint – wir sind nicht ganz freiwillig hiergeblieben.«
    Roxane sah den Hiscadi verdutzt an. Dann beschloss sie, seinem Beispiel zu folgen. »Als Vertreterin der Königlichen Marine von Thaynric möchte auch ich für die Fahrt der

Weitere Kostenlose Bücher