Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
80er bestehen kann?«
Thyrane lehnte sich zurück und nippte an seinem Glas.
»Das wäre nicht von Nachteil.«
ROXANE
Die Wachen führten sie durch eine Reihe von Räumen und Korridore, die zunächst jenen ähnelten, in denen sie auch untergebracht gewesen waren, dann aber zunehmend schlichter und dunkler wurden, bis sie schließlich durch enge, fensterlose Gänge liefen, die statt von Laternen von Fackeln beleuchtet wurden. Immer wieder ging es Treppen hinab, und Roxane vermutete, dass sie inzwischen tief unter der Erde sein mussten. Mittlerweile war sie sich sicher, dass sie das Gebäude längst verlassen hatten und sich unter der Stadt befanden.
Immer wieder warf sie Jaquento fragende Blicke zu, und wann immer er es bemerkte, lächelte er ihr zu. Der Ausdruck in seinen Augen war schwer zu deuten, aber Roxane glaubte, darin Sorge und Hoffnung zu lesen, während Bihrâd, der das Verhör offenbar gut überstanden hatte, sich – wie so oft – bedeckt hielt.
Auch Sean blickte starr geradeaus. Der Agent des Viererbundes war unterwegs wieder zu ihnen gestoßen, begleitet von einem Mann und einer Frau, die eindeutig nicht von hier, sondern aus Corbane stammten. Sie hatten sich kurz mit Shan unterhalten, ohne dass Roxane auch nur ein Wort verstanden hätte. Die beiden Corbaner hatten sich dann verabschiedet, während Shan den ehemaligen Matrosen einfach
in ihre kleine Gruppe gesteckt hatte. Seitdem hatte Sean kein Wort mit ihnen gewechselt. Was immer er auch dachte oder wusste, er schien nicht gewillt, sich ihnen mitzuteilen.
Nachdem sie eine Weile schweigend durch den Untergrund Danams gewandert waren, erreichten sie ein Holztor, das mindestens so hoch wie zwei erwachsene Männer war und so alt, dass die Balken schwarz wirkten. Shan trat vor und schob den eingelassenen Balken, der das Tor verschlossen hielt, so mühelos nach oben, dass Roxane überrascht die Luft ausstieß. Dieser Balken musste ebenso viel wiegen wie der Mann selbst, und trotzdem schien Shan keine Schwierigkeiten damit zu haben. Mit einem Nicken wies er sie an, durch das Tor zu treten, und die Wachen nahmen sie wieder in die Mitte.
Shan selbst jedoch blieb zurück, und das Tor fiel mit einem dumpfen Dröhnen hinter ihnen zu.
TAREISA
Voller Wut ging Tareisa in dem kleinen Raum auf und ab. Seit Shan sie hierhergebracht hatte, war der verfluchte goldgekleidete Glatzkopf nicht mehr aufgetaucht. Seine Untergebenen – Männer und Frauen in den gleichen weiten blauen Hemden und Hosen, wie Tareisa sie auch in der Halle gesehen hatte – brachten ihr Essen und Wasser. Die Maestra konnte ihnen nichts vorwerfen, aber dennoch fachte die maskenhafte Freundlichkeit ihrer undurchschaubaren Mienen Tareisas Zorn nur weiter an.
Mehrfach hatte sie mit dem Gedanken gespielt, Vigoris einzusetzen und auszubrechen. Das Einzige, was sie daran hinderte, ihre Fähigkeiten zu benutzen, war die Ungewissheit über den Ausgang eines solchen Versuchs. Shan hatte ihr zu verstehen gegeben, dass die Nutzung von Vigoris nicht unbemerkt bleiben würde. Überdies war sie von einem Drachen - einem von der Einheit verfluchten Drachen! – über eine vermutlich sehr weite Strecke in ein ihr vollkommen unbekanntes Land verschleppt worden.
Egal, von welcher Seite sie ihre Situation betrachtete, einige Tatsachen ließen sich nicht leugnen: Sie wusste nicht, wo sie sich befand, sie sprach die Sprache der Einheimischen nicht, und sie wurde von einem Mann gefangen gehalten, der über genug Macht verfügte, um einen Drachen zu kontrollieren.
All diese Umstände zusammengenommen waren keine gute Handlungsbasis.
Ihr Gefängnis, wenn man den großzügig bemessenen und mit niedrigen Möbeln aus dunklem, lackiertem Holz eingerichteten Raum so nennen wollte, befand sich in einem Anbau der Lagerhalle. Sie vermutete, dass sich hier einst Verwaltungsräume befunden hatten, aber sicher konnte sie sich nicht sein, denn das ganze Gebäude war offensichtlich umgebaut worden, und sie hatte keine Ahnung, was seine ursprüngliche Bestimmung gewesen sein mochte.
Zwar waren ihre neue Unterkunft und die Behandlung eine deutliche Verbesserung gegenüber ihrem Los auf der Todsünde , aber nichtsdestotrotz war sie eine Gefangene. Und als solche verspürte sie den Drang, so bald wie möglich zu fliehen.
Denk nach, Tareisa. Los! Tu etwas!
Sie nahm eine gelbe, sternförmige Frucht von einem lackierten Holzteller in die Hand und betrachtete sie. Unglücklicherweise hatte ihr niemand gesagt, wie man das
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