Sturmwelten 03. Jenseits der Drachenküste
ist, sie will es unbedingt für sich behalten. Es ist so wichtig, dass niemand davon erfahren darf. Sie haben die Offizierin der Mantikor ruhiggestellt, und mit mir haben sie es auch versucht.«
Thyrane sah Shanton eindringlich an. Alles hing jetzt davon ab, dass er den Major überzeugen konnte. »Und sie werden es wieder tun. Hier wird gegen die Interessen der Krone gespielt. Es geht um viel mehr als darum, einen alten Mann einzusperren, der vielleicht seine Befugnisse überschritten hat. Sie und ich, wir sind nur Figuren auf dem Brett.«
»Ich werde die Wachen verdoppeln und persönlich aussuchen, Thay«, entgegnete Shanton mit großem Ernst. »Wenn ich sonst nichts tun kann, so kann ich doch wenigstens Ihre Sicherheit gewährleisten.«
Thyrane lächelte bitter. »Das wird nicht reichen. Die gehen über Leichen. Und sie werden nicht aufhören.«
»Was schlagen Sie also vor?«
»Lassen Sie mich gehen, Thay. Ich …«
»Auf keinen Fall!«
»Hören Sie mir zu, Major. Ich weiß, dass Sie die Wahrheit sehen. Sie waren dabei, als man versuchte, meine Untersuchung der ganzen Angelegenheit zu behindern. Und nun schauen Sie sich das hier an!«
Thyrane deutete auf das verwüstete Zimmer.
»Ich kann nicht …«
»Ich weiß, dass ich viel verlange, Thay. Sie setzen Ihre Karriere aufs Spiel, vielleicht sogar Ihr Leben. Aber deswegen sind Sie Soldat geworden. Weil es Ihnen um die Sache Thaynrics ging.«
Shanton legte den Kopf zur Seite, und Thyrane spürte, dass er mit seinem Vorstoß eine Saite in dem Major zum Klingen gebracht hatte, also legte er nach.
»Diesmal sind die Feinde nicht außerhalb. Keine Géronaee, keine Hiscadi, keine Uniformen und somit keine klaren Fronten. Diese Schlachten werden nicht offen geführt. Dieser Feind hat ein Lächeln im Gesicht und einen Dolch hinter dem Rücken. Und viel Geld und keine Skrupel. Sie wissen das, Major. Sie wissen das!«
»Admiral Holt hat einen deutlichen Befehl gegeben«, wehrte Shanton ab. »Und Lessan unterliegt seiner Jurisdiktion. Wenn er erfährt, was hier geschehen ist, wird er sicher eine Untersuchung einleiten.«
»Selbst wenn er das täte, würde ich das Ende dieser Untersuchung wohl nicht mehr erleben.« Thyrane hielt einen Moment lang inne, um tief Luft zu holen. »Und die eigentliche Frage bliebe unbeantwortet: Was ist wertvoll genug, um all diese Ereignisse in Gang zu setzen?«
Er ließ seine Worte wirken und lehnte sich wieder zurück. Shanton hatte ihm gebannt gelauscht, und Thyrane konnte beobachten, wie er seine Worte nun erwog.
»Gut«, erklärte er schließlich und erhob sich. »Sie haben mich überzeugt. Ich werde Sie bis vor die Tore eskortieren. Danach liegt Ihr Schicksal in Ihrer eigenen Hand.«
»Danke, Thay.«
»Enttäuschen Sie mich nicht, Admiral. Ich weiß, dass man Sie den Seewolf nennt und dass Ihre Männer Ihnen bedingungslos
vertrauen. Auch ich will Ihnen dieses Vertrauen schenken. Lassen Sie nicht zu, dass ich meine Entscheidung irgendwann bereuen muss.«
»Ich werde mein Möglichstes tun, Thay. Diese Hunde werden schon noch lernen, dass man sich nicht mit Wölfen anlegt. Und ich werde Ihren Mut und Ihre klare Auffassungsgabe bei der Admiralität erwähnen.«
Shanton nickte, und Thyrane bemerkte, dass der Major sich seiner Entscheidung bereits unsicher war, sie aber nun, nachdem er sie verkündet hatte, nicht mehr zurücknehmen würde.
»Finden Sie heraus, wer das ist«, bat Thyrane und deutete auf den Toten, um dem Major ein Ziel zu geben und ihn abzulenken. Als Shanton nickte, wandte er sich ab und ging der jungen Paranao voran durch die Tür hinaus.
»Und nun?«, flüsterte Sinao.
»Erst einmal müssen wir uns zur Imperial durchschlagen. Und dann … Ich weiß es noch nicht.«
ROXANE
»Was für ein selbstverliebter kleiner Mann«, meinte Groferton und schüttelte den Kopf. »Diese Unterhaltung wurde lediglich von seiner Eitelkeit getragen und hat uns, fürchte ich, nicht im Geringsten vorangebracht, Thay.«
Die Kapitänin schwieg zunächst zu den Worten des Maestre, doch schließlich nickte sie langsam. »Sie haben völlig Recht, was den Gouverneur angeht, Coenrad. Dieser Besuch war wirklich unerquicklich.«
Groferton nickte unglücklich.
»Ich hatte das Gefühl, dass man uns nur hinhalten wollte«, fuhr Roxane fort. »All das Gerede über Brüderlichkeit, Gleichheit und Freiheit, die nun angeblich in Géronay und all seinen Kolonien herrschen … Gouverneur Senpier ist doch schon unter Sugérand eingesetzt
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