Sturmzeit
höchster Eile die Wäsche ihrer Tochter bestickt hatte. F. L. Lombard hieß sie, nicht Marakow. Und plötzlich, zu Saras großem Schrecken,brach sie in Tränen aus.
Felicia hatte wenig Ahnung von der Liebe, jedenfalls nicht von jenem Aspekt, den sowohl die Gartenlaube als auch die in ihrem Elternhaus vorhandene Literatur gewissenhaft aussparten. Zwar konnte sie sich manchen Reim auf das machen, was sie den anzüglichen Bemerkungen und geflüsterten Witzen von Tante Belle und Onkel Leo früher auf Lulinn hatte entnehmen können, aber ihre Vorstellungen waren bis hin zum Tag ihrer Hochzeit verschwommen geblieben.
Elsas hastige Andeutungen am Abend zuvor hatten sie eher verwirrt als erleuchtet. «Manches wird dir vielleicht sehr ernüchternd vorkommen, Kind, aber denk daran, daß alles schön und wunderbar sein kann, wenn du einen Mann wirklich liebst.«
Was ist »alles«, hätte sie am liebsten gefragt und hatte gleich darauf gedacht: Aber ich liebe Alex ja nicht. Ich liebe doch Maksim!
Dafür, daß sie Alex nicht liebte, verschaffte ihr die erste Nacht mit ihm - die erste, die sie überhaupt in den Armen eines Mannes verbrachte - ungeahnten Genuß. Sie hatte vorgehabt, was immer passieren würde, kühl und distanziert zu bleiben, und sie hatte nicht damit gerechnet, daß ihr Körper so sehnsüchtig und erwartungsvoll auf die Hände und Lippen, auf die zärtliche Stimme des fremden Mannes reagieren würde. Sie drängte sich an ihn, hoffte, daß diese Nacht nie vorübergehen würde, und empfand alles, was sich jenseits dieses Zimmers, dieser Fenster abspielen mochte, als unwirklich.
Als sie früh am nächsten Morgen erwachte und erstes Tageslicht hinter den Vorhängen sah, wünschte sie nichts mehr, als daß Alex ebenfalls erwachen und sie wieder in die Arme nehmen würde. Die heftigen, beinahe gierigen Empfindungen, mit denen sie den Schlafenden betrachtete, verunsicherten sie tief. Entweder hatte sie Elsa falsch verstanden, oder die wußte nicht alles von der Liebe, oder... mit ihr selber stimmte irgendetwas nicht. Sie ließ sich in ihr Kissen zurückfallen und versuchte die Gedanken zu ordnen, die ihr durch den Kopf gingen. Sie liebte doch nur Maksim, wieso konnte sie dann solchen Gefallen am Körper eines anderen Mannes finden?
Ihr fielen seine Küsse ein, damals, im Esplanade. Irgend etwas hat er, dachte sie ratlos, irgend etwas. Er war erwacht und neigte sich über sie. »Guten Morgen, Felicia«, sagte er, und seine Stimme war warm und lockend. Felicia schlang beide Arme um seinen Hals, küßte seinen Mund. Ich gehöre Maksim für immer, dachte sie, du bekommst nur meinen Körper - nichts sonst!
Sie hatten drei Tage im Adlon in Berlin verbracht, ehe sie nach München gefahren waren. Felicia war nie in Süddeutschland gewesen. Sie betrachtete entzückt den tiefdunkelblauen Himmel, die flammend bunten Herbstwälder, die barocken Zwiebelturmkirchen zwischen sanft gewellten Wiesen und die mächtigen Bauernhäuser mit ihren tief gezogenen Dächern, den blumengeschmückten Balkonen und den bunten Astern in den Vorgärten. Irgendwo glitzerte ein See in der Sonne, aber bei seinem Anblick mußte sie plötzlich an den Wannsee denken, an märkischen Sand und schlanke Kiefern, an diemelancholischeren Farben des Nordens, und dies war der Moment, als sie das Heimweh nach Berlin spürte, das sie, solange sie lebte, an keinem Ort der Welt je wieder verlassen würde.
Doch natürlich, München gefiel ihr. Die grünen Türme der Frauenkirche, das dunkel schillernde Wasser der Isar, das Rathaus auf dem Marienplatz, der bezaubernde Park von Schloß Nymphenburg. Alex ließ das Taxi kreuz und quer durch die Stadt fahren, um ihr alles zu zeigen, dann erst bogen sie in die Prinzregentenstraße ein. »So, wir sind da«, sagte er. Felicia hatte nie ein größeres Haus gesehen. Es war dreiStockwerke hoch, abgesehen von den Räumen unter dem Dach, es war breit und wuchtig, die Eingangstür gewaltig wie ein Portal. Die Mauern hatten eine blaßgelbe Farbe, ausgebleicht und fahl wie viele Wände unter einer südlichen Sonne. Die Dachziegel flammten hellrot auf unter dem müden Licht des späten Septembernachmittags. Eine breite Sandsteintreppe führte von der Straße zum Eingang hinauf. Drinnen empfing sie ein adrettes Hausmädchen, das ehrerbietig knickste. »Gnädiger Herr, wir freuen uns über Ihre Rückkehr. Seien Sie herzlich willkommen.«
Ihr Blick ruhte neugierig auf Felicia.
»Meine Frau«, stellte Alex gleichmütig vor,
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