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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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fragte sie, kaum daß er verschwunden war.
    »Er ist ein Neureicher«, erklärte Kat, »und er findet keinen Platz hier in der Gesellschaft. Deshalb möchte er mich unbedingt heiraten, aber natürlich denke ich gar nicht daran. Er hat keine Manieren, und er wird nie richtig dazugehören.«
    »Sag das nicht zu laut«, meinte Alex. Er schenkte sich einen Whisky ein, warf sich in einen Sessel und schlug die Beine lässig übereinander. »Wir haben Krieg. In Kriegszeiten kippt die Welt um, was unten war ist plötzlich oben, und wer oben war...«
    Er lachte. »Nun, wir werden sehen!«
    Dann lächelte er sanfter. »Felicia, wie geht es dir?« fragte er. Seine Stimme klang warm, und unwillkürlich erwiderte Felicia sein Lächeln. »Es geht mir gut. Kat und ich verstehen uns hervorragend.«
    Alex nahm einen tiefen Schluck Whisky. »Wie schön, daß du meine Familie so liebst!« Das klang etwas bitter. Felicia wußte, daß ihm dabei sein Vater durch den Sinn ging, und bei sichdachte sie: Oho! An diesem Punkt bist du also zu treffen! Alex unterdessen wechselte, wie er es gern tat, unvermittelt das Thema. »Die Türkei ist übrigens in den Krieg eingetreten!«
    »Nein! Auf Seiten der Entente?!«
    »Auf unserer Seite.«
    »Wie gut!« rief Kat. »Vielleicht ist der Krieg doch bald aus!«
    Alex kippte mit wütendem Schwung den restlichen Whisky hinunter. Seine Augen glühten vor Verachtung. »Ehe das Herbstlaub fällt!« Mit boshaftem Vergnügen beobachtete er, wie ein Regenschauer und ein heftiger Windstoß ein Bündel bunter Blätter von draußen gegen die Fensterscheibe schleuderte. Er stand auf, nahm das Glas und die Flasche und ging zur Tür.
    »Ich gehe in die Bibliothek. Ich glaube, ich werde heute früh zuviel trinken, und das möchte ich euch nicht zumuten. Bleibt nur hier und träumt in aller Ruhe vom Ende des Krieges. Und, Kat, bitte, morgen gehst du ausnahmsweise wieder einmal in die Schule, ja?«
    Die Tür fiel hinter ihm zu. Felicia starrte ihm nach. «Macht er das oft. Solche... solche«, sie suchte absichtlich nach einem brutalen Wort, »solche Besäufnisse?«
    »Ja, weißt du es denn nicht? Er trinkt zuviel. Schon lange. Er ist so lebensverachtend oft, und manchmal denke ich, seine eigene Lästerlichkeit kommt auf ihn zurück und verfolgt ihn. Ich habe mir immer so sehr gewünscht, daß er glücklicher wird. Ich glaube, jetzt mit dir wird er es!« Kat strahlte. Schuldbewußt senkte Felicia die Augen.
    Welch eine seltsame Familie, dachte sie, ein tyrannischer Vater, eine Tochter mit überspannten Nerven, ein Sohn, der zuviel trinkt und der...
    Sie stutzte, weil ihr ein Gedanke durch den Kopf ging, der sie verwunderte. Gab es am Ende eine Gemeinsamkeit zwischen Maksim und Alex? Litt Alex am Leben geradeso wie Maksim?Vielleicht bestand der ganze Unterschied zwischen ihnen darin, daß Maksim die Welt verbessern wollte, Alex hingegen... trieb es ihn, gemeinsam mit ihr unterzugehen?

    »Vier Monate bis zum Fähnrichexamen«, sagte Christian, »was meinst du, Jorias, dauert der Krieg noch so lange?«
    Jorias blickte auf. Sie saßen in einem kleinen Café in Lichterfelde, kauten mühsam an einem mit wenig Fett gebackenen Kuchen und starrten mißmutig hinaus in den verhangenen Dezemberhimmel. Es war Sonntag, aber zum erstenmal hatte Christian keine Lust gehabt, nach Hause zu fahren. Er wollte sich nicht von Elsa bemuttern lassen, während Johannes in Frankreich im Schützengraben lag und sein Vater in einem Lazarett im Osten Dienst tat. Elsas Angst um ihren ältesten Sohn ließ sie sich mit übertriebener Besorgnis um ihren jüngsten kümmern. Christian sträubte sich dagegen. Er verschlang die täglichen Frontberichte in der Zeitung, wünschte sich nichts sehnlicher, als dabei zu sein, und reagierte zunehmend gereizt, wenn er wie ein Kind behandelt wurde.
    »Was wird deine Familie sagen?« fragte Jorias. »Ich meine, wenn du dann an die Front gehst?«
    »Meine Mutter wird sich sträuben. Aber sie wird nachgeben müssen.« In Christians grauen Augen glühten Eifer und Bereitschaft, und das entzündete das Feuer auch in Jorias. Verrückt konnte man werden daheim, zwischen Schulbank, Exerzierplatz und Sonntagmorgenkaffee. Während der Arbeitsstunden schrieben sie Aufsätze »Warum ich meinen Kaiser liebe«, aber das Papier erschien ihnen allzu trocken unter ihren heißen Händen. Nicht schreiben wollten sie - sondern kämpfen! Was nützte es, dem Kaiser in dürren Silben Treue zu schwören, wenn es in diesen Zeiten nur einen

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