Sturmzeit
alles von fern hören. Die Welt verschwamm in einem nebligen Licht, oben war unten und unten oben. Sie benahm sich völlig unmöglich, sie wußte es, aber es erleichterte sie.
Die Leute tuschelten über sie, hier und da fielen obszöne Bemerkungen, aber dafür entschädigten sie Maksims Augen, in denen sie zumindest einen Anflug von Betroffenheit las. Oder gelesen hatte, bevor sie sich in alkoholgetränkte Abgründe stürzte und zum ersten Mal in ihrem Leben die Flucht ergriff. Sie versteckte sich vor der Erkenntnis, daß sich Maksim ihr entzogen hatte, daß ihre Macht an eine Grenze gestoßen war. Die Demütigung, die sie empfand, setzte sie in exaltierte Fröhlichkeit um.
Wenn ihr nur nicht immer elender würde! Am Anfang hatten Ekstase und Übelkeit im Gleichgewicht gelegen, jetzt blieb nur noch die Übelkeit. Sie hing wie ein Sack in Alex Lombards Armen, ihre Knie knickten ein, sie machte ein oder zwei unsichere Schritte. Sie meinte, seine Stimme über sich zu hören
- »Du armes Kind«, sagte die Stimme, oder etwas ähnliches,dann wurde ihr schwarz vor Augen, und ein dunkles Loch tat sich vor ihr auf.
Als sie erwachte, lag sie auf einem Bett, neben ihr brannte eine Lampe, und der furchtbare Schwindel war verflogen. Ihre Augen tränten etwas, ihr Kopf schmerzte, aber wenigstens drehte sich die Welt nicht mehr so atemberaubend schnell. Sie dachte: Wie komisch, ich habe ja noch meine Kleider an, und ich gehe doch nie mit Kleidern ins Bett!
Dann wurde ihr klar, daß sie nicht in ihrem Bett lag, sondern in einem fremden, und daß sie das Zimmer ringsum nie gesehen hatte. Sie wollte sich aufsetzen, doch ein stechender Schmerz durchzuckte ihren Kopf, und mit einem Seufzer fiel sie in das Kissen zurück.
»Bleiben Sie um Gottes willen liegen!« Alex Lombard trat an das Bett heran und musterte sie mit einer Mischung aus Besorgnis und Spott. »Es ist ein Wunder, daß Sie keine Alkoholvergiftung davongetragen haben. Was Sie da heute abend getan haben, hätte den stärksten Kerl umhauen können!«
»Wo bin ich denn hier?«
»Im Esplanade. In meinem Zimmer.«
»O Gott!«
»Es ging nicht anders. Hätte ich Sie in diesem Zustand zu Ihrer Mutter zurückgebracht, hätten Sie wahrscheinlich eine Menge Ärger bekommen.«
»Sie hätten auch Ärger bekommen!«
»Aber Felicia!« Er lachte. »Ich wasche meine Hände in Unschuld. Diese Verwicklung dramatischer Umstände konnte ich wirklich nicht voraussehen.«
»Es gab keine dramatischen Umstände!«
»Nein? Dann muß ich manches mißverstanden haben. Ich hatte das Gefühl, daß Sie sich in hochexplosiven Zündstoff verwandelten, als sie diesen Mann-wie hieß er noch? - diesen Maksim Marakow sahen. Und ich meinte, es hätte an seiner aparten Begleiterin gelegen, daß Sie so plötzlich Ihre Rolle als höhere Tochter aufgaben und den Whisky in sich
hineinschütteten, als hätten Sie Ihr Leben lang nichts anderes getrunken. Sie haben diesen neuen Part überaus gut gespielt!«
Er lachte schon wieder und ließ sich in einen Sessel neben dem Bett fallen.
»Selten hat mich etwas so amüsiert!«
Mit unverhohlener Feindseligkeit sah ihn Felicia an. Besäße er auch nur eine Spur von Taktgefühl, er hätte weder Maksim noch Maria, noch den unseligen Whisky jemals wieder erwähnt. Und er hätte schon gar nicht die Situation ausgenutzt und sie auf sein Zimmer geschleppt. Das Gefühl des Ausgeliefertseins - sie lag hier auf seinem Bett, betrunken, unfähig sich zu rühren, ohne vor Schmerz zu stöhnen - verdoppelte ihre Wut.
»Wie spät ist es überhaupt?« fauchte sie.
»Etwa fünf Uhr morgens.«
»Was?« Fast hätte sie sich wieder aufgerichtete, aber geistesgegenwärtig neigte sich Alex vor, legte sanft die Hand auf ihre Stirn. »Bleiben Sie liegen!«
»Meine Mutter hat wahrscheinlich schon die Polizei alarmiert. Sie wird verrückt sein vor Sorge!«
»Keine Angst. Ich habe sie angerufen.«
»Sie haben sie angerufen? Und ihr gesagt, daß ich... daß wir...«
Alex grinste. »Ich weiß, wie man mit Müttern umgeht. Ich habe alles ein bißchen beschönigt. Zum einen habe ich Ihren volltrunkenen Zustand verschwiegen. Ich habe auch nicht erzählt, daß wir Ihrer großen Liebe begegnet und Sie durch schreckliche Gefühlswirren gegangen sind!« Er machte einekurze Pause.
Er ist ein Scheusal, dachte sie, ein richtiges Scheusal!
»Ich habe behauptet, Ihnen sei auf einmal sehr übel geworden«, fuhr Alex fort, »Sie hätten beim Abendessen zu sehr geschlungen, und...«
Er ist
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