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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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irgend jemanden mußte sie schließlich heiraten. Es könnte nett werden mit ihm; über mehr dachte sie nicht nach.
    Sie hob den Kopf, und ihre Augen, noch immer mit einem leichten Schleier überzogen, funkelten herausfordernd.
    »In Ordnung«, sagte sie, »ich werde Sie heiraten.«
    Sie erwartete einen Freudenausbruch bei ihm, aber seine nächsten Worte überraschten sie. »Ich täusche mich nicht über deine Motive, Felicia, Aber es war mir schon immer gleichgültig, warum ich etwas bekomme. Hauptsache, ich habees zum Schluß.« Er stand auf, wobei er kaum merklich schwankte, und Felicia wußte: Er hatte mehr getrunken, als er vorgab.
    »Schlaf jetzt, Felicia. Ich bin nebenan - wenn irgend etwas ist.«
    Felicia lächelte kühl. Sie hatte bereits vergessen, daß er ein guter Spieler war und die Unruhe, die seine Nähe in ihr erweckte, möglicherweise kalkuliert hatte.
    Sie war überzeugt, im Vorteil zu sein, weil er sie liebte und sie ihn nicht.

6

    Sie war verheiratet, ehe sie es sich versah. Das Ereignis kam für jedermann überraschend, besonders für Elsa, die sich verzweifelt zwei Fragen stellte: Wie, um alles in der Welt, sollte sie so schnell ein standesgemäßes Hochzeitskleid herzaubern, und weshalb hatte es sich ihre Tochter in den Kopf gesetzt, einen Mann zu heiraten, den sie einmal in ihrem Leben gesehen hatte und von dem niemand etwas wußte? (Bis auf die Tatsache, daß er Felicia in eine unmögliche Situation gebracht hatte, als er sie mit in sein Hotel nahm, Schwester hin oder her, und die überstürzte Hochzeit erhöhte die Peinlichkeit nur noch.)
    »Du bist zu unreif«, sagte sie, »du weißt überhaupt nicht, worauf du dich da einläßt.«
    »Ich weiß es sehr wohl«, entgegnete Felicia kurz. Sie legte in der letzten Zeit eine Sachlichkeit an den Tag, die alle verwunderte. Auf Saras und Lindas entsprechende Vorhaltungen hin, entgegnete sie nur: »Ihr lest zuviel in der Gartenlaube, und ich kann euch sagen, es ist alles Unsinn, was die Marlitt schreibt. Die Liebe ist keine romantische Sache. Sie ist... etwas Notwendiges und Unumgängliches, mehr nicht!«
    Sie betrachtete ihr schönes, blasses Gesicht im Spiegel mit einiger Zufriedenheit. Dahinter sah sie Saras und Lindas verstörte Mienen. Es tat ihr gut, auf den romantischen Träumen der Freundinnen herumzuhacken; es half ihr, mit den eigenen Träumen fertig zu werden, die unerfüllt in ihr schlummerten und plötzlich eine fremde, rücksichtslose Roheit erfuhren. Felicia weinte nicht während der Trauung, das besorgten ohnehin Linda und Sara ausgiebig für sie. Beim Jawort versagte ihr die Stimme, aber das lag nur an einer leichten Erkältung, die sie sich zugezogen hatte, als sie am Abend vorher über ihren Grübeleien am offenen Fenster eingeschlafen war. Ihr Vater undJohannes konnten nicht kommen, aber Christian bekam einen Tag von der Kadettenanstalt frei und saß mit ernstem, etwas verwundertem Gesicht in der Kirche. Die wenigen Gäste unterhielten sich in der Hauptsache über die Schlacht an der Marne und schienen die Frage, ob General Bülows Rückzug seiner zweiten Armee tatsächlich notwendig gewesen war, wichtiger zu finden als das Schicksal der Braut. Es ärgerte Felicia, daß sich niemand richtig um sie kümmerte. Falkenhayn, Bülow, Kluck... die Namen der Generäle langweilten sie zu Tode.
    »Die Deutschen siegen, die Deutschen siegen!« schrie ein patriotisch begeisterter alter Herr. »Die Marne war keine Niederlage für uns!«
    Alex Lombards kühle Stimme klang dazwischen. »Sie war auch kein Sieg. Die Front ist erstarrt. Unsere Soldaten sitzen dort in Frankreich in den Schützengräben, und es wird verdammt ungemütlich, wenn der Winter kommt und der Schlamm zu Eis wird.«
    Winter! Die Gäste lächelten milde.
    Bis dahin war der Krieg längst gewonnen. Ehe das Herbstlaub fällt, hieß es. Und hatten junge deutsche Rekruten in Flandern nicht gerade wieder deutschen Kampfgeist, deutsches Heldentum bewiesen? Sicher, viele waren gefallen, und ihr Ziel, Dünkirchen und Boulogne den Engländern zu entreißen, hatten sie nicht erreicht. Aber bald, bald kam der große, entscheidende Sieg, ein Sieg wie der von Tannenberg, und die Soldaten kehrten heim ins Reich, das mit offenen Armen auf sie wartete.
    »Bist du glücklich?« flüsterte Sara. Felicia fuhr zusammen.
    »Ja doch, natürlich«, erwiderte sie unwirsch. Sie mußte niesen und zog eilig ein Taschentuch hervor. Ihr Blick fiel auf das verschnörkelte Monogramm, mit dem Elsa in

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