Sturmzeit
der gräßlichste Mann, der mir je begegnet ist!
»... und da es nicht so aussähe, als würden Sie eine Autofahrt ohne peinliche Zwischenfälle überstehen, hätte ich Sie bis morgen früh in die Obhut meiner Schwester Kassandra gegeben, die mit mir in Berlin sei und im selben Hotel wohne.«
»Wie raffiniert!«
»Ja, nicht wahr? Der Vollkommenheit wegen habe ich Ihre Mutter sogar mit Kassandra sprechen lassen.«
»Haben Sie Ihre Stimme verstellt?«
»Nein. Aber ein weiblicher Hotelgast, der mir sehr zugetan ist, war so freundlich, Kassandras Rolle zu übernehmen. Der Dame schien eine solch pikante Angelegenheit viel Spaß zu machen.« Seine Stimme wurde leiser. »Und Ihnen macht sie auch Spaß, Felicia. Sie hassen Langeweile und Gleichmaß, und lieber fallen Sie besinnungslos in die Arme eines fremden Mannes, als daß Sie alles seinen gewohnten Trott gehen lassen. Oder wären Sie jetzt wirklich lieber daheim bei Ihrer Mutter?«
Sie antwortete nicht, sondern starrte nur zur Decke. Sie spürte einen bitteren Geschmack im Mund, der sie argwöhnen ließ, sie habe sich in den Stunden der Besinnungslosigkeit womöglich tatsächlich übergeben; eine beschämende Vorstellung, und sie schwor sich, den Fremden nie danach zu fragen. Es gab manches, was sie lieber nicht wissen wollte auch nicht, was sie geredet hatte, als sie in Monas Etablissement wie eine komische Jahrmarktsfigur über die Tanzfläche getaumelt war. Maksim war Zeuge der Schande gewesen, und dieses Biest auch, die schwarzäugige Mascha... Wie um einen Rest von Würde zuwahren, verkündete Felicia unvermittelt: »Ich habe mir im Grunde nie etwas aus Maksim Marakow gemacht!«
»Ach nein?« Für einen Moment löste gespannte Aufmerksamkeit den amüsierten Ausdruck in Lombards Augen ab.
Gleich darauf aber war er wieder der Mann, der nie etwas ernst zu nehmen schien. »Dann heiratest du mich?«
»Wie?« Jetzt setzte sich Felicia wirklich auf und ignorierte die tausend Nadelstiche in ihren Schläfen. »Haben Sie auch zuviel getrunken?«
»Ich trinke nie mehr als ich vertrage. Und deshalb weiß ich, was ich sage. Ich würde dich gern heiraten.«
»Warum?«
Alex lächelte. »Das ist wenigstens eine sachliche Gegenfrage. Du bist sehr hübsch, ganz einfach, und du hast etwas, das mich anzieht. Vielleicht sind es deine Augen. Ein Mann kann sie nicht vergessen, wenn er sie einmal gesehen hat.«
»Sie kennen mich überhaupt nicht.«
»Du mich auch nicht. Es wäre von Anfang an ein faires Spiel.«
»Das ist der romantischste Heiratsantrag, der mir je gemacht wurde«, sagte Felicia, die sich sicherer zu fühlen begann, weil sie jetzt überzeugt war, daß er scherzte oder vielleicht doch betrunken war.
»Ich glaube nicht, daß du ein romantisches Mädchen bist«, erwiderte Alex. Er entdeckte Nachdenklichkeit auf ihrem Gesicht, einen weichen Schimmer in den alkoholgetrübten Augen, und es entfachte zu seinem Erstaunen einen hilflosen Zorn in ihm, plötzlich mit der Erkenntnis konfrontiert zu sein, daß es romantische Regungen in ihr gab, er sie aber nicht wachzurufen vermochte. Er stieß an eine uneinnehmbare Mauer, an ihre beharrliche Entschlossenheit, alles, was sanft undzärtlich in ihr war, für einen anderen aufzusparen. Er neigte sich zu ihr hin und küßte ihre Lippen, seine Hände glitten an ihren Armen entlang und schlossen sich fest um ihre Finger. »Jetzt sag endlich ja oder nein«, verlangte er, ehe er sie ein zweites Mal küßte.
Felicia wurde schon wieder schwindelig, der Schweiß brach in ihren Handflächen aus. Sie drängte sich enger an ihn, aber als wisse er, daß er erreicht hatte, was er wollte, ließ er sie los und wich zurück. »Heirate mich, Felicia, komm mit nach München. Es ist schön dort.«
Nun, da er ihre Hände nicht mehr hielt und die Erinnerung an seine Küsse verblaßte, konnte sie wieder kühl überlegen. Das beste an seinem Vorschlag war, daß sie nach München gehen würden, weit weg von Berlin und von Maksim. Sicher irritierte es ihn zu erfahren, daß sie einen anderen Mann geheiratet hatte - am Ende machte es ihn sogar eifersüchtig.
Und dann, Alex Lombard hatte Geld. Sie sah sich in dem Hotelzimmer um, kein Zimmer sondern eine Suite, und sie dachte an die Trinkgelder vom Abendessen. Eine Textilfabrik... Außerdem war er ein gutaussehender Mann - und erfahren. Felicia wußte, sie würde keinen Mann heiraten können, von dem sie nicht berührt werden wollte, aber das konnte sie von Lombard weiß Gott nicht sagen - und
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