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Sturmzeit

Sturmzeit

Titel: Sturmzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Link Charlotte
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jemals wieder im Frieden zurechtzufinden.

    Leo verfolgte einen Plan. Im Grunde verfolgte er ihn bereits von dem Tag an, da man ihn an die Front gerufen hatte. Was ihm zunächst nur dann und wann als Gedankenblitz durch den Kopf gegangen war - ich werde dort nicht lange bleiben! -, nahm hier in Frankreich schließlich feste Gestalt an. Ich werde hier überhaupt nicht mehr bleiben!
    Er wußte, Desertion war fast Wahnsinn. Zu versuchen sichdurch die deutschen Truppen hindurch nach Hause zu schlagen, schien beinahe unmöglich. Aber er sagte sich, daß er nichts zu verlieren hatte. Noch zwei Wochen Front, und er würde einen Nervenzusammenbruch bekommen. Entweder erschoß er sich dann selber, oder er stürzte sich freiwillig in die Bajonette der Gegner. Versuchte er aber, diesem Irrsinn hier zu entfliehen, gab es eine geringe Chance für ihn. Einen Funken Hoffnung, doch noch zu überleben.
    Seine Vorstellungen gewannen feste Umrisse, als er in dem Dorf, das Hauptquartier seines Regiments war, Sara Winterthal traf.
    Sie lächelte ihn scheu an und sagte leise: »Guten Tag, Herr Domberg!« und er zerbrach sich den Kopf, wer sie sein mochte.
    »Ich bin Sara Winterthal«, erinnerte sie ihn, »eine Freundin von Felicia.«
    Endlich dämmerte es ihm - Sara, natürlich!
    Er merkte, daß sein schlechtes Gedächtnis sie betrübte, und versuchte rasch, seinen Fehler wiedergutzumachen.
    »Es liegt an Ihrer Schwesternhaube. Sie verändert Sie. Ich erinnere mich - Sara.« Er sprach ihren Namen sanft und eindringlich aus und sah, wie seine Stimme in ihren Augen einen Funken entfachte.
    »Ich... ich muß ins Lazarett zurück«, murmelte sie hastig,
    »auf Wiedersehen - Leopold!«
    »Auf Wiedersehen.« Er sah ihr nach. Hände weg von ihr, befahl er sich im stillen, sie ist zu gut!
    Er fand sie nicht im mindesten anziehend, aber in ihren braunen, stillen Augen hatte er ein Brennen gefunden, das ihn nachdenklich stimmte. Hingabe, Bereitschaft... diese Frau würde durchs Feuer gehen für den Mann, den sie liebte. Ein Grund mehr, sie in Ruhe zu lassen. Vor ihrer Selbstlosigkeit schreckte er zurück, sie war wie ein Strom, der alles überrollte. Sie brachteeinem Menschen mehr entgegen, als er haben wollte, und er hatte Angst vor seinem eigenen Egoismus, der ihn verführen könnte, dieses Mädchen auszunutzen. Er konnte sie nicht mit in seine Pläne einbeziehen. Nein, entschlossen machte er auf dem Absatz kehrt, das konnte er nicht!
    Er traf sie immer wieder, ohne daß er es darauf anlegte, obwohl er später dachte, unbewußt habe es ihn doch in ihre Nähe gezogen. Er konnte abends nur schwer Schlaf finden und nutzte oft die Dunkelheit, sich noch ein wenig im Dorf herumzutreiben. Sara schien die gleiche Angewohnheit zu haben. Meist lehnte sie am Stamm der uralten Linde vor dem Lazarett, eine schmale, weiße Gestalt mit vor der Brust verschränkten Armen. Wahrscheinlich waren die paar Minuten abends der erste Moment des Tages, an dem sie Luft holen konnte. Sie unterhielten sich meist über neutrale Dinge, über die Seeschlacht vor dem Skagerrak, in der Engländer und Deutsche aufeinander getroffen waren und die, obwohl sie vor der Entscheidung abgebrochen worden war, als deutscher Erfolg gewertet wurde, und über den Rücktritt von Admiral Tirpitz im März, der sich gegen den Kaiser und Bethmann-Hollweg mit seiner Forderung nach einem uneingeschränkten U-Boot-Krieg nicht hatte durchsetzen können. Sie diskutierten den möglichen Kriegseintritt der USA und die Frage, ob es in Rußland eine Revolution geben werde. Im Grunde interessierte sie das beide nicht. Eines Abends brachte Sara Zigaretten mit, die ihr ein sterbender Patient geschenkt hatte. Sie reichte sie Leo. »Hier, für Sie. Sie haben sicher schon lange keine mehr.«
    Zigaretten galten als größte Kostbarkeit. Leo betrachtete sie mit Ehrfurcht. »Wirklich, für mich? Das kann ich doch nicht annehmen. Behalten Sie ein paar auch für sich!«
    »Ich rauche nicht. Das gehört auch zu meinem langweiligen Wesen.«
    »Was ist daran langweilig? Glauben Sie, eine Frau wird erst durch so einen idiotischen Glimmstengel interessant?«
    »Die Frauen, die Sie kennen«, sagte Sara leise, »rauchen alle.«
    Leo zündete sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug.
    »Die Frauen, die ich kenne«, sagte er mit Überzeugung,
    »können Ihnen nicht das Wasser reichen!«
    »Meinen Sie das wirklich?« Sara blickte auf. Er konnte ihre Augen durch die Dunkelheit glänzen sehen. Sanft legte er seine Hand

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