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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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machen.«
    »Ist nicht so schlimm, Sir. Ich würde lieber …«
    »Tun Sie, was ich Ihnen befohlen habe, Lieutenant. Wenn die Wunde sich entzündet, wird es übel.« Der Colonel lächelte ihn matt an. »Ich möchte Sie nicht verlieren. Sie scheinen das Zeug zu einem guten Offizier zu haben.«

    Um vier Uhr am nächsten Morgen starteten die Deutschen einen Gasangriff. Walter und seine Sturmsoldaten näherten sich bei Sonnenaufgang dem Nordrand der Stadt. Sie rechneten damit, dass der Widerstand der französischen Truppen genauso schwach sein würde wie zwei Monate zuvor.
    Sie hätten es vorgezogen, Château-Thierry zu umgehen, aber das war nicht möglich. Die Eisenbahnlinie nach Paris führte direkt durch die Stadt, und die beiden Brücken waren von großer Wichtigkeit. Die Bahnlinie musste genommen werden.
    Bauernhöfe und Felder wichen zuerst kleinen Häuschen und Ställen, dann gepflasterten Straßen und Gärten. Als Walter sich dem ersten zweistöckigen Gebäude näherte, eröffnete ein Maschinengewehr in einem der oberen Fenster das Feuer und deckte die Straße mit Kugeln ein, als prasselten dicke Regentropfen auf einen Teich. Walter sprang über einen niedrigen Zaun in einen Gemüsegarten und rollte sich über den Boden, bis er hinter einem Apfelbaum Deckung fand. Seine Männer taten es ihm gleich; dennoch blieben zwei auf der Straße liegen. Einer rührte sich nicht mehr, der andere stöhnte vor Schmerzen.
    Walter schaute zurück und sah Feldwebel Schwab. »Nehmen Sie sechs Mann! Dringen Sie in das Haus vor, und schalten Sie das MG aus!«, befahl er. Er entdeckte seine untergebenen Offiziere. »Von Kessel, Sie gehen nach Westen und dringen von da in die Stadt ein. Von Braun, Sie kommen mit mir.«
    Walter hielt sich von den Hauptstraßen fern und rückte stattdessen durch Gassen und Hinterhöfe vor, doch in ungefähr jedem zehnten Haus lagen Gewehr- und MG -Schützen. Irgendetwas hatte ihren Kampfgeist wieder geweckt, erkannte Walter mit einiger Besorgnis.
    Den ganzen Morgen kämpften die Sturmsoldaten sich von Haus zu Haus vor und erlitten dabei schwere Verluste: Das war nicht die Taktik, für die sie ausgebildet waren. Sie sollten nicht für jeden Meter bluten müssen. Es war ihre Aufgabe, den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, tief in Feindesland vorzudringen und die Nachrichtenverbindungen zu unterbrechen, um auf diese Weise die führungslosen Fronttruppen zu demoralisieren, sodass sie sich der nachrückenden Infanterie ergaben. Doch diese Taktik war nun gescheitert, und die Sturmsoldaten mussten es im Nahkampf mit einem Feind aufnehmen, der wieder zu Atem gekommen war.
    Doch sie drangen weiter vor, und gegen Mittag stand Walter in den Ruinen der mittelalterlichen Burg, der die Stadt ihren Namen verdankte. Die Burg lag auf einem Hügel, an dessen Fuß das Rathaus stand. Von dort führte die Hauptstraße in gerader Linie zweihundertfünfzig Meter bis zu einer Doppelbogenbrücke über die Marne. Östlich davon, gut fünfhundert Meter flussaufwärts, gab es eine zweite Möglichkeit, den Fluss zu überqueren: eine Eisenbahnbrücke.
    Dies alles konnte Walter mit bloßem Auge sehen, aber das reichte nicht. Er benutzte seinen Feldstecher und studierte die feindlichen Stellungen am Südufer. Die Männer zeigten sich sorglos, was ein sicheres Zeichen dafür war, dass sie keine Kampferfahrung besaßen: Veteranen blieben stets außer Sicht. Sie waren jung, voller Energie, gut genährt und gut gekleidet. Doch Uniformen wie diese hatte Walter noch nie im Feld gesehen.
    Es waren Amerikaner.

    Im Laufe des Nachmittags ließen die Franzosen sich zum Nordufer der Marne zurückfallen, und Gus konnte seine schweren Waffen zum Einsatz bringen. Über die Köpfe der sich zurückziehenden Franzosen hinweg dirigierte er das Mörser- und Maschinengewehrfeuer auf die vorrückenden Deutschen. Rasch verwandelten die Amerikaner die Nord-Süd-Straßen der kleinen Stadt in wahre Todesstreifen. Trotzdem rückten die Deutschen weiter furchtlos vor, von einem Haus zum nächsten, und überwältigten die Franzosen allein durch ihre Überzahl.
    Der Nachmittag wich einem blutigen Abend. Gus schaute aus einem hochgelegenen Fenster und sah, wie die Überreste der französischen Truppen sich zur Westbrücke zurückfallen ließen. Am Nordende der Brücke stellten sie sich wieder zum Gefecht und hielten die Stellung, bis die Sonne hinter den Hügeln im Westen versank. Dann zogen sie sich im Zwielicht über die Brücke zurück.
    Eine kleine

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