Sturz der Titanen
Ihre an die Hüte der Mounties erinnernden Kopfbedeckungen hatten sie schon in den Staaten gegen praktischere Schirmmützen ausgetauscht. Inzwischen waren sie auch mit Stahlhelmen ausgerüstet, die genau wie die Helme der Briten an Suppenschüsseln erinnerten.
Nun erklärten ihnen französische Ausbilder, wie man in Verbindung mit schwerer Artillerie kämpfte – eine Fähigkeit, für die die United States Army bisher keine Verwendung gehabt hatte. Da Gus Französisch sprach, war er unweigerlich zum Verbindungsoffizier gemacht worden. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern waren gut, auch wenn die Franzosen sich darüber beschwerten, dass die Cognacpreise seit Ankunft der Amerikaner dramatisch gestiegen waren.
Die deutsche Offensive war den ganzen April erfolgreich fortgeführt worden. Ludendorff war in Flandern so schnell vorgestoßen, dass General Haig erklärte, die Briten stünden mit dem Rücken zur Wand – eine Formulierung, die die Amerikaner zutiefst erschreckte.
Gus war nicht gerade begierig darauf, in die Schlacht zu ziehen; Chuck jedoch wurde immer ungeduldiger. Was sollte das Herumlungern, verlangte er zu wissen. Sie spielten bloß Krieg, während es nicht weit von ihrem Ausbildungslager entfernt echte Schlachten zu schlagen galt. Der nächstgelegene deutsche Frontabschnitt befand sich bei Reims, nordöstlich von Paris; doch Gus’ befehlshabender Offizier, Colonel Wagner, erklärte, der alliierte Nachrichtendienst sei sicher, dass es dort nicht zu einer Offensive kommen würde.
Mit dieser Einschätzung lag der Nachrichtendienst vollkommen falsch.
Walter jubelte. Die eigenen Verluste waren hoch, doch Ludendorffs Strategie ging auf. Die Deutschen griffen dort an, wo der Feind am schwächsten war, rückten schnell vor und beseitigten starke feindliche Stellungen erst später. Trotz einiger kluger Verteidigungsmaßnahmen von General Foch, dem neuen Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, machten die Deutschen so große Landgewinne wie seit 1914 nicht mehr.
Das größte Problem war, dass der Vormarsch jedes Mal zum Stehen kam, wenn die deutschen Soldaten auf Proviantlager stießen. Sie hielten einfach an und aßen, und Walter konnte sie nicht eher wieder in Bewegung setzen, bevor die Männer sich nicht die Bäuche vollgeschlagen hatten. Es war schon seltsam, einen Mann auf dem Boden hocken zu sehen, wo er sich Kuchen und Schinken zugleich reinstopfte, während Granaten um ihn herum einschlugen und Kugeln über seinen Kopf hinwegzischten. Walter wusste, dass andere Offiziere ähnliche Erfahrungen machten. Einige versuchten, ihre Leute mit Pistolen zu bedrohen, doch selbst das brachte die Männer nicht dazu, das Essen liegen zu lassen und weiterzumarschieren.
Doch davon abgesehen war die Frühjahrsoffensive ein Triumph. Walter und seine Männer waren nach vier Jahren Krieg erschöpft; aber das galt auch für die französischen und britischen Soldaten, auf die sie trafen.
Nach der Somme und Flandern war Ludendorffs dritter Angriff im Jahre 1918 für den Abschnitt zwischen Reims und Soissons geplant. Hier hielten die Alliierten einen Hügelkamm, Chemin-des-Dames, Damenweg, genannt.
Am Sonntag, den 26. Mai, rückten die deutschen Einheiten in ihre Bereitschaftsstellungen ein. Es war ein sonniger Tag mit frischem Wind aus Nordost. Wieder einmal war Walter stolz, als er die Marschkolonnen in Richtung Front sah, die Tausende von Geschützen, die unter dem Störfeuer der Franzosen in Stellung gebracht wurden, und die Telefonkabel, die Gefechtsstände und Batterieleitungen verbanden.
Ludendorffs Taktik blieb bestehen: Um zwei Uhr nachts begannen die deutschen Geschütze die französischen Stellungen mit Gas-, Schrapnell- und Sprenggranaten einzudecken. Walter stellte zufrieden fest, dass das französische Feuer sofort verebbte, was darauf hindeutete, dass die Artillerie ihre Ziele traf. Das Trommelfeuer fiel der neuen Strategie gemäß nur kurz aus, und um vier Uhr vierzig endete es ganz.
Die Sturmtruppen rückten vor.
Die Deutschen griffen bergauf an; dennoch trafen sie nur auf wenig Widerstand, und zu Walters großer Überraschung und Freude erreichten sie den Hügelkamm schon nach weniger als einer Stunde. Inzwischen war es hell geworden, und Walter konnte die Franzosen sehen, die sich den Hügel hinunter zurückzogen.
Die Sturmsoldaten folgten ihnen in gleichmäßigem Tempo und achteten dabei sorgfältig darauf, nicht in die eigene Feuerwalze hineinzulaufen. Trotzdem erreichten sie noch
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