Sturz in die Vergangenheit
kleine Kinder. Sie werden verhungern ohne mich.“ Der andere war mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen vor Matthias bis zur Kammerwand zurückgewichen.
„Runter.“ Er deutete auf die Treppe. „Rasch.“
Die beiden gehorchten ohne Umschweife und rannten mit eingezogenen Köpfen an Matthias vorbei die Stufen hinab.
Nur eine Minute später war die Kerkertüre hinter ihnen verriegelt. Jetzt aber nichts wie weg hier! Erneut eilte Matthias aufwärts, stieß die Außentüre auf. Er war im inneren Burghof angekommen.
Im Gegensatz zum letzten Mal war es hier sehr voll. Rücken an Rücken standen braun und grau und beige gekleidete Menschen, Männer mit Kindern auf den Schultern, Frauen mit Hauben, die Babys auf den Armen trugen, größere Kinder, die unruhig auf den Zehenspitzen balancierten. Sie alle starrten nach vorn, in die Mitte des Hofes.
Matthias senkte die Kamera und schob sich zwischen die Leiber. Für ihn würde es jetzt kein besseres Versteck geben als mitten im Volk. In dessen Schutz würde er sich zur Stalltür vorarbeiten und von hier verschwinden. Sobald er in Sicherheit wäre, würde er überlegen, wie er Mila befreien könnte.
Ein Blick in die entsprechende Richtung zeigte ihm, dass er sich den Umweg über den Stall sparen konnte: Das Tor zwischen den beiden Burghöfen stand sperrangelweit offen.
Ein Schlag erklang.
„Aahh.“ Die Menge stöhnte vor Entzücken. Gleichzeitig lichtete sie sich ein wenig und gab den Blick frei auf eine kleine Rampe in der Mitte des Burghofes, auf der ein riesiger Mann gerade ein beeindruckendes Beil senkte und vor sich abstellte. Zu seinen Füßen, neben einem Holzpflock, lag der Körper eines Mannes – ohne Kopf.
Die Menge ringsum war in Jubel ausgebrochen, Arme waren in die Höhe geflogen, Hüte und Tücher wurden geschwenkt.
Unwillkürlich schob sich Matthias näher heran.
„Ihr alle habt es gesehen!“
Die Stimme, sonor und voll, tönte vom Treppenabsatz zum Haupthaus herab. Meinhard stand da, die Arme zu den Menschen erhoben.
„Wir sind wieder sicher. Soeben habe ich den Beweis erbracht.“ Er deutete auf die kopflose Leiche herab.
Matthias, der nun nahe genug am Richtplatz war, entdeckte endlich den Kopf, der ein Stück zur Seite gerollt war und ihm mit leeren Augen entgegenstierte. Voller Entsetzen erkannte er, dass der Geköpfte niemand anderes war als Till, der Tote aus der Höhle.
Doch er hatte keine Zeit, sich zu fragen, warum Meinhard einen ohnedies Toten köpfen ließ, denn in diesem Moment sprach der weiter und schwenkte die Hand.
„Dämonen können uns nichts anhaben, ob tot oder lebendig.“
Fanfaren und Trommeln erklangen. Die Tür zu Johanns Turm öffnete sich, Wachen erschienen – und inmitten derer, hocherhobenen Hauptes und mit wildem Blick – Mila.
Die Menschenmenge schrie auf und wich ein Stück zurück.
„Diese Frau“, Meinhards Stimme troff vor Hass, „hatte Umgang mit dem Dämon. Sie hat sich von ihm unterweisen lassen, hat ihm nachgeeifert und wurde schließlich mächtig wie er. Ihr alle habt gesehen, dass der Dämon, der hier vor euch liegt, geköpft und gescheitert, bereits tot war.“ Meinhard holte mit der Hand weit aus und deutete auf Mila. „Erstochen durch diese Frau.“
Matthias schnappte nach Luft. Was behauptete Meinhard da?
Doch der donnerte bereits weiter: „Sie glaubte, dadurch Dämonenmacht zu bekommen. Aber dem werde ich Einhalt gebieten.“ Er nickte den Wachen zu. „Bringt sie hinauf.“
„Ihr seid der Mörder, Meinhard“, schrie Mila und wandte sich an die Menschen ringsum. „Hört nicht auf ihn, er lügt.“ Wie sie sich im Griff hatte. „Ich bin eine von euch und habe nichts Böses getan. Ich bin eine Mutter, lasst mich zu meinem Sohn.“ Erst jetzt brach ihre Stimme, man hörte ihre Angst. Sie weinte. „Lasst mich los!“ Wehrte sich gegen die Hände, die sie die Rampe hinauf zum Richtblock zerrten. Doch vergebens. Gegen die Kräfte der vier Wachen hatte sie keine Chance. Die packten sie an den Armen, an Oberkörper und Haar und schleiften die laut kreischende Mila die wenigen Stufen hinauf, direkt vor den Henker. Der stand vom Treiben vor ihm völlig unberührt da, die Hände auf dem Knauf des vor ihm stehenden Beils gekreuzt.
Wieder ertönte Meinhards tiefe Stimme: „Zum Beweis ihrer Schuld“, er machte eine kleine Pause, in der eine Kiste auf den Richtblock gehoben, geöffnet und den Gaffern präsentiert wurde.
Die sofort in erstaunte, teilweise ehrfürchtige, aber auch
Weitere Kostenlose Bücher