Sturz in die Vergangenheit
wandte sich dann dem viel faszinierenderen Wasser zu. Sehr hungrig schien der nicht zu sein.
Als sie weiterstiegen, lief Ilya brav neben Matthias her. Was allerdings nicht recht lange gut ging, denn von Fels zu Fels zu balancieren, war für Matthias leichter mit Kind auf dem Rücken als an der Hand.
Der Bach verschwand im Wald und dort war es einfacher, dem Verlauf zu folgen. Matthias ließ Ilya immer wieder kurze Stücke gehen. So kamen sie gut voran.
Kurz nachdem sie den Wald verlassen hatten, hörte er ein Rauschen.
„Ilja tinkt“, verkündete der Kleine, als der Wasserfall gerade in Sicht kam.
Matthias schnupperte. Tatsächlich. Was ihn augenblicklich vor neue Probleme stellte: Wie wurden im Mittelalter Kinder gewickelt? Feuchttücher und Pflegecreme, Wegwerfwindeln und Plastikbeutel zur geruchsarmen Entsorgung – das war das, was er bisher kennengelernt hatte. Aber hier war jetzt ein Kind, feucht um den Hosenboden herum, mit gefüllter Windel. Und er hatte nichts. Gut, da war Wasser. Reinigen sollte also gehen. Außerdem war es warm, da konnte Ilya auch erst mal nackt bleiben.
Als sie den Wasserfall letztlich erreichten, war der enttäuschend klein. Kein Vergleich mit der ihm bekannten Realität. Und wieder fand er es seltsam, dass er als herumpfuschender Autor ausgerechnet ein solches Detail verändert haben sollte.
Aber hach, das war doch jetzt völlig egal. Das Kind auf seinem Rücken fühlte sich überaus echt an. Und wirklich feucht. Erst einmal aufatmend, setzte Matthias es ab. „Am besten, du legst dich mal hin.“
Unter Ilyas Kittel, um seine Hüften geknotet, befand sich ein Stück Stoff, das sich irgendwie gewachst anfühlte. Als Matthias es löste, fand er nicht nur die Quelle des Gestanks, sondern noch jede Menge Moos. So machte man das also? Okay, Moos zu finden, sollte kein Problem darstellen. Jetzt aber erst mal weg mit dem Bioabfall. Er schüttete den Windelinhalt in eine Mulde, wusch das kontaminierte Tuch dann im Wasser aus und hängte es über den Ast eines Busches.
„So, mein Lieber, jetzt sind wir beide dran. Ich habe eine Ganzkörperwäsche nötig.“
Ilya starrte Matthias an, während der aus Hose und Kittel schlüpfte. „Deine Hinterfront benötigt auch eine Generalsanierung.“ Er zog Ilya den Kittel aus. „Ab mit uns ins Wasser.“
„Iieh“, machte Ilya, als das Wasser ihm bis zu den Knien reichte.
„Irrtum, kleiner Freund“, korrigierte Matthias. „Iieh ist an deinem Po. Das Wasser hier ist brrr.“
Es war wirklich kalt und Matthias konnte sehr gut verstehen, dass Ilya nicht baden wollte.
„Komm, setz dich hierhin.“ Er deutete auf eine kleine Lache am Rand, die von der Sonne aufgewärmt war. „Nur bis dein Po wieder sauber ist.“ Er lockte mit ein paar Wassertropfen.
Ilya schien das zu gefallen. Mit einem wonnigen Aufschrei setzte er sich mitten in die Pfütze und begann umgehend damit, Matthias mit Wasser zu bespritzen.
„Du hast ja ganz recht“, lachte der. „Ich werde mich jetzt ebenfalls waschen.“ Er watete weiter hinein und schrubbte sich eilig. Das Wasser war so kalt und klar, die Luft dagegen so heiß, Matthias' Blick schweifte immer wieder zu dem verheißungsvoll rauschenden Wasserfall. Ob er es wagen konnte? „Wollen wir gemeinsam duschen?“
Duschen kannte Ilya sicher nicht, aber die ihm entgegengereckten Arme verstand er sofort.
„Ja!“
Mit dem kleinen Nacktfrosch auf dem Arm watete Matthias durch das Becken zum Wasserfall. Und dort schrien sie gemeinsam, als das eiskalte Wasser über ihre Rücken lief.
Nur Minuten später trockneten sie im sonnengewärmten Gras und ließen sich erneut Brot und Käse schmecken.
„So lässt sich's aushalten, was?“ Matthias, der mit einigem Bedauern wieder in seine schmutzige Hose gestiegen war, legte sich zurück. „Lass uns jetzt auf deine Mama warten.“
„Mama tommt bald“, versprach Ilya, als er sich an Matthias kuschelte. Der konnte sich über die Vertrauensseligkeit dieses Kindes nur wundern, als das dann gähnte und im Nu eingeschlafen war.
Und während er einige Vögel in der Luft beobachtete, hatte er endlich einmal die Muße, über all das nachzudenken, was in den letzten Tagen auf ihn eingestürzt war.
Hier lag er also und wartete auf die Frau, für die er in der Burg sein Leben riskiert hatte. Obwohl er quasi nichts von ihr wusste. Lediglich, dass sie angeblich jede Menge Zeitreisende empfing – und sich dadurch Ärger eingehandelt hatte mit dem großen Meinhard – der
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