Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
auf diesem schwarzen Marmortresen an, während die Puzzleteile sich zusammenfügten. Schließfächer bedeuteten … Schule. Europa … bedeutete letztes Schuljahr … erstes Semester in Spanien, letztes Schuljahr.
Das letzte Jahr an der Highschool … bedeutete 2007.
»Was zur Hölle?«, fluchte ich leise.
Ich kriegte nicht mal einen Sprung hin, der mich drei Tage in die Vergangenheit zurückkatapultierte, und jetzt war ich um zwei Jahre zurückversetzt? Auf meiner Stirn bildeten sich Schweißperlen. Und ich erinnerte mich tatsächlich an dieses Mädchen. Sie gehörte zu einer Gruppe von Stipendiatinnen der Loyola Academy.
Loyola Academy bedeutete … meine Highschool. Die ich längst abgeschlossen hatte. Im Jahr 2008.
Was offenbar noch nicht passiert war.
»Jackson? Alles in Ordnung mit dir?«, fragte das Mädchen.
Sie kannte meinen Namen. Mein Gesicht. Ich war jeden Tag hierhergekommen – während der Schulzeit – und hatte mit Kreditkarte bezahlt. Auf der mein Name stand. Also ja. Das ergab alles absolut Sinn. Aber der ganze andere Mist nicht. Oder er ergab doch Sinn, sollte es aber besser nicht tun. Mein neunzehnjähriges Ich sollte sich nicht in der Zeit meines siebzehnjährigen Ichs befinden.
Ich musste mich vorbeugen, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Wie zum Teufel war ich hierhergekommen? »Tut mir leid, ich muss los, wollte nur kurz hallo sagen.«
Ich stolperte aus der Tür und lehnte mich atemlos von außen dagegen. Hatte es 2009 überhaupt je gegeben? Während keines meiner Zeitreisen-Experimente hatte ich mich so desorientiert gefühlt. Diese Zeit, dieser Moment fühlte sich außerdem genauso real an wie der, den ich gerade verlassen hatte. Angefangen bei den Schmerzen, den kalten Regentropfen, dem bleiernen Gefühl in den Beinen und im Herzen.
Vielleicht kann ich alles wiedergutmachen, wenn ich einfach versuche, wieder zurückzuspringen? Bilder zogen an mir vorbei – Holly mit panischem Blick, die blutende Holly, die zu Boden sinkt … Holly, die noch atmet …
Aber wie lange noch? Und es war mein Fehler. Alles war meine Schuld.
Ich schloss die Augen und unterdrückte die Tränen, die in mir aufstiegen. Das Einzige, was ich tun konnte, damit ich nicht in Panik geriet, war, den Rückweg anzutreten.
Zurück zum 30. Oktober 2009. Der offiziell zum schlimmsten Tag meines Lebens geworden war. Ich hielt den Rücken an die Tür gepresst und die Augen geschlossen, während mir der Regen ins Gesicht prasselte, und konzentrierte mich auf das Jahr 2009.
Sofort setzte wieder dieses Gefühl ein, in zwei Teile gerissen zu werden, und ich konnte mich nicht mehr konzentrieren. Aber es war zu spät. Ich war bereits unterwegs nach Unbekannt.
6
Meine Augen waren noch immer geschlossen, als mir der Geruch von Kirschholz und nach Zitrone duftender Möbelpolitur in die Nase stieg. Kein Regen. Keine Geräusche von Menschen. Oder LKWs, die mir über die Beine fuhren. Schließlich schaute ich mich um und erkannte sofort, wo ich war.
Im Büro meines Vaters.
Durchs Fenster, das um das große Eckbüro herumlief, konnte ich den Verkehr auf der Fifth Avenue sehen. Es war entweder Morgen oder Abend. Und höchstwahrscheinlich ein Werktag. Adam hatte mich immer davor gewarnt, ziellos durch die Zeit zu springen.
»Wer weiß, wo zur Hölle du sonst landest?«, hatte er gesagt.
Ich verbannte diesen Gedanken aus meinem Kopf und erinnerte mich an die nächste wichtige Aufgabe: Angaben über Tag und Uhrzeit zu finden. Also ging ich zum Computer und schaltete den Monitor ein. Er war gesichert, und um Zugang zu erlangen, war ein Fingerabdruck-Scan erforderlich.
Auf dem winzigen Display des Telefons neben der Tastatur erblickte ich Zahlen. Aber als ich mich herunterbeugte, um sie mir anzusehen, erklangen draußen vor der Tür laute Pieptöne. Wie von einem elektronischen Zahlenschloss für eine Garage oder so was. Ich konnte mich nicht erinnern, dass das Büro meines Vaters jemals mit einem Code gesichert gewesen wäre. Das gesamte Gebäude war nämlich bewacht.
Aber vielleicht war das hier die Zukunft? Was, wenn ich über den 30. Oktober 2009 hinausgeschossen war?
Mir blieb keine Zeit, über diese letzte Frage nachzudenken, da mir plötzlich klar wurde, dass derjenige, der hereinkam, wenn sich diese Tür öffnete – Dad oder sonst irgendwer – höchstwahrscheinlich ausflippen würde, wenn er eine Version von mir antraf, die gar nicht hier sein sollte. An diesem Tag. Oder in diesem Jahr. Welches Jahr das
Weitere Kostenlose Bücher