Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
auch immer war.
Im selben Moment, als die Tür aufging, trat ich in den Garderobenschrank links neben dem Schreibtisch. Schritte hallten über den Boden, und plötzlich erschien direkt neben meinem Gesicht ein Arm. Ich drückte mich mit angehaltenem Atem gegen die Schrankwand und beobachtete, wie mein Vater seinen langen Wintermantel aufhängte.
Hinweis Nummer eins: Es ist kalt draußen.
Ein paar Monate konnte ich also ausschließen. Die Tür ging wieder zu, aber nicht ganz. Ein winziger Lichtstrahl fiel noch hindurch, gerade so viel, dass ich sehen konnte, wie Dad auf seinem Schreibtisch herumkramte.
Ein lauter Summton hallte durch das stille Büro, und ich bekam fast einen Herzinfarkt, weil ich dachte, jemand wüsste, dass ich hier drin war.
»Ja?«, sagte Dad.
Das Telefon. Was auch sonst?
»Alles nach Plan verlaufen«, dröhnte die Stimme eines Mannes leicht dumpf aus dem Lautsprecher.
»Ich erwarte einen vollständigen Bericht, Agent Freeman.«
Agent?
Es klang so, als würde der Mann am anderen Ende der Leitung in den Hörer schnauben. Dann sagte Dad: »Sofort!«
»Okay, okay, tut mir leid. Die beiden fraglichen Zielpersonen, eine männlich, eine weiblich, sind unverletzt am vorgesehenen Ort eingetroffen.«
»Ich glaube, Sie verstehen nicht, was mit einem vollständigen Bericht gemeint ist, Agent Freeman. Soll ich Ihnen Punkte von Ihrer Tauglichkeitsprüfung abziehen?«, fragte Dad in einem drohenden Ton.
»In Ordnung. Donner war mit den üblichen Freunden zusammen unterwegs und rechtzeitig um sieben-null-zwo bei der Probe der Jazzband. Und Blitz erreichte den vorgesehenen Ort exakt um sieben-achtundfünfzig. Zwei Minuten bevor es zur ersten Stunde läutete. Sie wäre auch schon früher dort eingetroffen, verspürte jedoch das Bedürfnis, noch irgendwo einzukehren, um eine heiße Schokolade zu trinken.«
Er muss über Courtney und mich sprechen.
Courtney. Die am 15. April 2005 gestorben war.
Aber Donner und Blitz? Decknamen?
Ich konnte mir das nicht notieren. Nicht hier. Also schloss ich die Augen, presste meinen Rücken noch fester gegen die Schrankwand und zwang mich, die Fakten immer wieder zu wiederholen. Ich befinde mich in einem Jahr vor 2005. Offenbar ist uns eine Art Agent bis zur Schule gefolgt und berichtet darüber an Dad.
Okay, als Vorstandsvorsitzender eines bedeutenden pharmazeutischen Unternehmens war er zugegebenermaßen ein ziemlich hohes Tier. Aber uns von einem Privatdetektiv oder was auch immer dieser Kerl da am Telefon war, beschatten zu lassen, erschien mir doch ein bisschen extrem.
»Und sie war allein unterwegs?«, fragte Dad und riss mich damit aus meinen Gedanken.
»Ja, Sir.«
Jetzt hörte ich, wie Dad hin und her lief. »Was ist mit dem Mädchen zwei Stockwerke über uns? Peyton?«
»Ich habe von einem Informanten gehört, dass sie die Grippe hat.«
»Und Sie hielten es nicht für notwendig, mir das mitzuteilen? Hätte ich das gewusst, hätte ich sie begleitet …«
»Ich habe sechs Monate lang lebensgefährliche Aufträge für die CIA erledigt, und zwar mitten in der Wüste. Da schaffe ich es schon, auf ein paar Zwölfjährige auf dem Weg in die Schule aufzupassen.« Er klang ein wenig gereizt.
Die CIA beschattete uns? Oder vielmehr ein pensionierter oder Ex-CIA-Agent, den Dad angeheuert hatte, war uns zur Schule gefolgt?
Dad seufzte. »Entschuldigen Sie. Und danke für den Bericht. Es ist das erste Mal, dass ich ihnen nicht selbst hinterhergehe. Mir war nicht klar, dass es mir so schwerfallen würde, diese Aufgabe an jemanden zu delegieren.«
Wie bitte?!
»Machen Sie sich keine Sorgen. Die halbe verdammte CIA ist permanent auf dem Posten. Diese Kinder könnten auch nicht sicherer sein, wenn Sie sie in einer schusssicheren Blase durch die Gegend rollen würden.«
»Agent Freeman, ich würde keine Situation auf die leichte Schulter nehmen. Nicht mal wenn es nur darum geht, ein paar Kinder zur Schule zu bringen. Und erinnern Sie sich an meine wichtigste Regel?«
»Niemals eingreifen, es sei denn, es gibt absolut keine andere Möglichkeit«, zitierte Agent Freeman. »Neulich hab ich beobachtet, wie Donner mit ein paar Freunden vom Fenster aus Eier auf das Auto eines Russen geworfen hat. Ich hab keinen Ton gesagt.«
Dad kicherte. »Das war vor zwei Tagen, stimmt’s?«
»Ja, Sir. Am elften Januar.«
11. Januar. Ich war zwölf. Nun ja … nicht ich, aber das andere Ich. Das andere Ich war zwölf. Ich überschlug es schnell im Kopf und kam zu dem Schluss,
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