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Styling deluxe / Roman

Styling deluxe / Roman

Titel: Styling deluxe / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Reid
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kennen. Lass uns lieber nicht übertreiben.«
    »Es ist wirklich erstaunlich … aber ich wusste schon immer, dass dir mal etwas Erstaunliches passiert.«
    »Tatsächlich?«, fragte Annie verwundert.
    »Ja«, versicherte Dinah, »du bist so tatkräftig. Wie lautet das Sprichwort: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.«
    »Und du bekommst noch ein Baby«, erklärte Annie im Brustton der Überzeugung. »Habe ich dir das nicht auch schon lange vor Billies Geburt gesagt? Und ich hatte recht, nicht wahr?«
    »Jetzt bin ich viel älter«, gab Dinah zu bedenken.
    »Ach, vergiss das Alter! Alter ist nur eine Zahl«, entgegnete Annie bemüht zuversichtlich.
    »Ja, genau, ich werde dich an deinem Geburtstag daran erinnern, Botox-Baby.«
    »Tamsin sagt, ich müsse aufhören, mein Alter zu frisieren und mein Gesicht zu unterspritzen. Sie findet es sexistisch, und sexistisches Verhalten ist ihr zuwider, besonders bei Frauen«, erzählte Annie.
    »Das ist höchst interessant …«, bemerkte Dinah nachdenklich. »Ich kann es noch immer nicht glauben, dass du dein Gesicht hast unterspritzen lassen.«
    »Ja, und niemand, kein Mensch hat etwas gemerkt!«
    Es war 9:45 Uhr, der schlimmste wochentägliche Stoßverkehr vorbei, und sie verließen London auf dem Weg ins ländliche Essex, um ihre Mutter zu einem wichtigen Arzttermin zu begleiten.
    Fern war erst vierundsechzig, wollte sich aber auf frühe senile Demenz untersuchen lassen. Annie und Dinah plauderten so leichthin und scherzhaft, weil sie beide Angst hatten vor dem, was dieser Morgen bringen würde.
    Annie stellte sich bereits vor, wie die Krankenakte ihrer Mutter mit der unwiderruflichen Diagnose »Demenz« gestempelt wurde, worauf dann nur noch geistiger Verfall folgte. Als die Schwestern Fern das letzte Mal zum Arzt begleitet hatten, hatte er ihnen Hoffnung gemacht, dass die Medikamente gegen hohen Blutdruck vielleicht schuld an ihrer Verwirrung sein könnten. Doch auch nachdem sie die Dosis reduziert hatte, redete und tat Fern Dinge, die Zweifel an ihrem Gesundheitszustand weckten. Einmal hatte sogar ein Nachbar angerufen, der wissen wollte, ob es einen Grund dafür gäbe, dass Fern um 23:30 Uhr im Garten arbeitete, beleuchtet vom Licht einer Schreibtischlampe mit Verlängerungsschnur.
    Annie schaltete wegen des leichten Nieselregens die Scheibenwischer ein. Als die Wischblätter die Frontscheibe verschmierten, betätigte sie den Hebel der Scheibenwaschanlage.
    »Du liebe Zeit!« Mit gequältem Gesichtsausdruck wandte sie sich Dinah zu, als die Dämpfe der Reinigungsflüssigkeit ins Wageninnere drangen. »Was ist denn mit dem Zeug los? Es stinkt! Vielleicht habe ich es nicht richtig verdünnt.«
    »Was?«, fragte Dinah.
    »Das Reinigungsmittel. Der ganze Wagen stinkt danach«, beschwerte Annie sich.
    »Na, dann lass doch ein Fenster runter! Aber ich rieche kaum was«, sagte Dinah.
     
    Die Untersuchung dauerte lange.
    Fern saß nervös auf ihrem Stuhl Dr. Bill gegenüber, die kleine Lackleder-Handtasche auf dem Schoß. Annie und Dinah hockten etwas abseits auf zwei Stühlen und sahen noch nervöser zu als ihre Mutter.
    »Beruhigen Sie sich doch bitte, es ist wirklich nicht so ernst!« Der Arzt versuchte, sie aufzuheitern. »Wir machen diesen Test mehrmals, weil jeder mal einen schlechten Tag haben kann. Also bitte, atmen Sie tief durch und machen Sie sich keine Sorgen!«
    Annie sah ihre Mutter an, heute wie aus dem Ei gepellt, das Haar zu einem voluminösen bräunlich-grauen Bob gebürstet und gesprayt. Sie hatte sich ein Seidentuch um den Hals geknotet und ihre bequemsten Schnürschuhe angezogen. Fern war Fußpflegerin gewesen, bevor sie in Rente ging, und hielt daher nichts von Absätzen, die die Füße deformierten.
    Dr. Bill fing langsam an, doch bald rasselte er die Fragen herunter, und Fern schlug sich wacker. Dass es so gut lief und ihr Gedächtnis bestens funktionierte, ermutigte sie.
    »Wann endete der Zweite Weltkrieg?«, fragte der Arzt.
    »1945«, antwortete Fern schnell und zuversichtlich.
    »Wer ist zurzeit Premierminister?«
    »Gordon Brown.«
    Nach Fragen zum Zeitgeschehen folgten persönlichere Fragen: »Wie lautet Ihr vollständiger Name? Wie heißen Ihre Kinder?«
    Alles lief wie am Schnürchen, und Annie riskierte einen Seitenblick zu Dinah und ein zuversichtliches Lächeln.
    »Fast fertig«, sagte der Arzt beruhigend. »Nun, können Sie mir sagen, welcher Tag heute ist?«
    »Ähm …« Urplötzlich wirkte Fern völlig verunsichert. »Heute ist,

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