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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Augen und Spuren getrockneter Tränen, die er nie weggewischt hatte, auf seinen Wangen.
    Mit vorsichtig formulierten Worten gelang es mir schließlich, den Rest der Geschichte aus ihm herauszulocken. Doch vielleicht hätte ich es bleiben lassen sollen.
    Ein Zittern lag in seiner Stimme, als er den Bericht fortsetzte: »Ich war neugierig ... oder einfach nur gierig ! Also habe ich »ja« gesagt, ohne zu fragen, worum es eigentlich ging.«
    Wieder schüttelte er den Kopf und blickte mich entschuldigend an. »Mein Buch war immer dabei. Jedes Wort, jede Bewegung wurde darin aufgezeichnet. Sonst war ich immer nur mit zwei oder drei von ihnen zusammen gewesen, diesmal war es eine ganze Gruppe. Auch jene, denen ich bislang nie begegnet war. Sie übten eine unglaubliche Faszination auf mich aus. Wie hätte ich mich weigern sollen? Ehrlich gesagt fiel es mir im Traum nicht ein, die Dinge zu hinterfragen. Ich war wie in Trance. Wir fuhren mit den Autos hinauf in den Norden, in eine der abgelegensten Gegenden, die man heute noch finden kann. Irgendwo um Crystal Lake herum.« Er machte eine wegwerfende Geste in meine Richtung. »Versuch erst gar nicht, den Ort auf einer Karte zu finden. Der ist nirgendwo verzeichnet.«
    Ich konnte nicht sagen, was mich mehr ängstigte: Die wilde Kraft, mit der er mich unvermittelt an den Schultern packte, der irre Blick in seinen Augen oder sein kehliges, beinahe tierisches Lachen, das einen Schauer über meinen Rücken jagte. Es war ein Anfall und so schnell vorbei, wie es begonnen hatte. Entsetzt über sich selbst ließ er sich schluchzend in den Sessel zurückfallen.
    »Sie zeigten mir einen Ort voller Symbole. Tief unter der Erde. Danach führten sie mich auf eine Lichtung. Dort sollte es geschehen oder zumindest haben sie mir das so erklärt. Fragen wurden keine mehr beantwortet. So stand ich also auf der Lichtung und wartete, während ringsum die Dämmerung heraufzog und sich schwer auf die Kronen der Bäume legte. Solche Bäume hast du wirklich noch nie gesehen. Alt und starr, unverrückbar. Und sie flüsterten miteinander im Wind. Dort oben wehte ein beständiger, kalter Wind.«
    Mir war als würde ich den Wind selbst spüren, obwohl ich sicher in meinem Haus auf der Couch saß. Und ich konnte den Wind in Jacks Stimme hören, welche allmählich in die Unendlichkeit verweht wurde, immer leiser.
    »Mit einer gespenstischen Langsamkeit wuchsen die Schatten der Bäume ins Unermessliche. Eine Art kriechende Dunkelheit, der man nicht entfliehen konnte, bis die ganze Lichtung ein Trog war – ein Behältnis, eigens für diese Dunkelheit. Ich war dumm, gedankenlos, zu sehr damit beschäftigt, neue Eindrücke für mein Buch zu gewinnen. Schließlich führten mich die Anderen in die Mitte der Lichtung und bildeten zwei Kreise um mich herum. Ein Symbol jenes unterirdischen Ortes, den wir zuvor besucht hatten: Zwei Kreise und im Innersten ein Punkt.«
    Wieder stockte mein Gast in seiner Erzählung. Gedankenverloren malte er das Symbol mit seinem Zeigefinger auf die Lehne des Sessels. Zwei Kreise und einen Punkt. Immer und immer wieder. Schließlich sah er zu mir auf, ein befremdliches Glitzern in seinen Augen. Offenbar erwartete er eine Reaktion. Vielleicht schallendes Gelächter – unter normalen Umständen hätte er das auch bekommen –, doch von dem Moment an, da ich das Funkeln in seinen Augen gesehen hatte, waren es keine normalen Umstände mehr. Diese Augen hatten Dinge gesehen, die nicht für menschliche Augen bestimmt waren.
    »Es geschah lautlos«, fuhr er schließlich fort, da ich nicht reagierte. »Wie ein samtener Vorhang legte sich die Dunkelheit über die Lichtung. Sie war das substanzielle Dunkel, überall um uns herum. Sie lag auf meinen Augen, ich atmete sie ein und sie durchdrang jede Pore meines Körpers. Doch das war nicht alles: Viel schlimmer und gruseliger war die Dunkelheit, die in mein Herz eindrang; die Dunkelheit, die in mir war.«
    Plötzlich sprang er auf und begann unruhig im Raum auf und ab zu laufen. Dabei hielt er aber in seiner Erzählung nicht eine Sekunde inne. In seiner Stimme lag so eine Gewalt, so eine Inbrunst, dass sich seine Nervosität auch auf mich übertrug. In meinem Inneren hin und her gerissen zwischen der Gewissheit, dass ich Jack aus dem Haus werfe sollte – schon um meiner geistigen Gesundheit willen – und der plötzlichen Unruhe, die dem Wunsch entsprang, zu hören wie es weiterging, konnte ich nur eines tun: Dasitzen und ihm zuhören.
    »Du

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