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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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kannst dir keine Vorstellung von dem Ort machen an dem ich war, schwebend im Nichts. Alles was ich war, hatte sich einfach aufgelöst. Je mehr Zeit verging, umso transparenter wurde die Dunkelheit, doch richtig lichtete sie sich nie. Ich sage dir, ich habe die Welt hinter dem Spiegel gesehen. Wie durch Rauchglas sah ich die seltsamsten Bilder, mehr Gefühle denn optische Eindrücke. Ich konnte das Alter der Welt spüren – Äonen dunkler Zeitalter. Und etwas sprach zu mir: Millionen finsterer Stimmen in der Nacht. Sie trugen mich in eine Höhle, so groß, dass wohl die ganze Welt hineingepasst hätte. Die Wände waren schwarz, durchzogen von silbrigen Adern. Die glänzten und funkelten als würden sie fließen wie Blut durch die Adern eines Körpers. Ich schwebte hinab, knapp über den Boden der Höhle. Tropfsteine wuchsen dort empor, manche so groß und breit wie ein Hochhaus, andere dünn und spitz. Doch da war auch etwas anderes. Als ich über den Boden glitt waren sie plötzlich da, überall um mich herum.«
    Ich konnte spüren, dass mein Freund jetzt nicht mehr bei mir, sondern mit seinem Geist an einem fernen, dunklen Ort festsaß. Glasige Augen blickten durch mich hindurch, sahen nur mehr das Grauen seiner Halluzination oder zumindest, was ich zu jenem Zeitpunkt für eine Halluzination hielt.
    Was haben sie diesem armen Mann nur eingeflößt , dachte ich bei mir.
    »Zuerst erkannte ich sie gar nicht. Hielt sie für ein weiteres Flackern dieser silbernen Adern in den Wänden. Doch dann sah ich sie: menschliche Gestalten, furchtbar verzerrt. Es müssen Milliarden gewesen sein. Überall krochen sie durch das Gestein, drückten ihre schreienden, verunstalteten Gesichter zu mir hinaus. Ihre Hände, von lebendem Stein umschlossen, reckten sich mir entdecken, Worte durchschossen mich wie Pfeile. Die Gestalten im Fels erzählten mir ihre Geschichten. Von uralten Dingen, älter als jede bekannte Legende oder Sage. Sie gaben ein beklagenswertes Schauspiel, jenseits dessen, was wir uns vorstellen können. Meine Begleiter hingegen spielten mit jenen armen Seelen im Stein – jagten sie, trieben sie zusammen. Warnungen wurden mir zugeflüstert, aber auch Versprechungen. Sie kannten meine tiefsten Sehnsüchte, meine verbotensten Gelüste. Nichts was ich bin, war oder jemals sein könnte, schien ihnen verborgen zu bleiben.«
    Ich starrte meinen Freund an. Sein Gesicht war zu einer Fratze der Angst geworden, bar jeder Menschlichkeit. Dass er mit mir spielte – mir einen Bären aufband –, schloss ich aus. Entweder erzählte er die Wahrheit oder er hatte den Verstand verloren. Dazwischen gab es nichts.
    Melancholie schlich sich in seine Stimme. »Ich trieb weiter hinunter, den abschüssigen Höhlenboden entlang, bombardiert von den Gedanken dieser armen Seelen, bis ich an ein Wasser gelangte. Einen dunklen Fluss, der träge dahinfloss wie zähes Öl, schwarz und schmierig. Ein kleiner Bootssteg, morsch und windschief, hing mehr schlecht als recht über die spiegelglatte Oberfläche hinaus. Eine kleine Laterne am Ufer spendete genug Licht, um die Fähre zu sehen, die in der Brühe trieb. Dort stand er: gekleidet in einen wallenden, schwarzen Umhang, eine Kapuze über den Schädel gezogen. Dürre, verbogene Finger ragten aus den Ärmeln des Umhanges hervor und hielten eine weitere altmodische Lampe, einen quadratischen Klotz mit vier großen, runden Glasscheiben an den Seiten. Es war der Fährmann, der Verräter – und gleichzeitig der Träger ihres Lichtes.«
    Ich beugte mich zu Jack hinüber, starrte ihn ungläubig an und flüstere ihm eindringlich zu: »Wessen Licht?«
    Für einen Sekundenbruchteil kehrten seine Augen in die Gegenwart zurück und schüttelten den glasigen Blick ab. »Jene, die die armen Seelen im Stein gefangen halten. Oh nein, unser begrenzter Verstand kann sicher nicht erfassen, wie furchtbar es sein muss, so lange Zeit gefangen zu sein. Doch sie haben mir davon erzählt – von ihrer Qual seit Anbeginn der menschlichen Existenz. Doch auch sie wurden müde, träge, teilten das Bestehende in zwei Sphären: Ihre eigene und den unwissenden Rest ringsum. Dennoch brauchen sie uns, die Leidenschaft der kurzen Explosion, die Ekstase, die unsere Existenz darstellt. Wir Menschen sind der Wirt auf dem diese Schmarotzer leben. Die Ironie ist, dass unser Geist – jenes Futter nach dem sie sich verzehren – gleichzeitig eine Barriere gegen ihr Eindringen in unsere Welt darstellt, denn wir sind es, die die Mauern

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