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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Grundstein für einen neuen Roman zu legen. Die ersten Seiten waren für mich immer die schlimmsten. Zwar hatte man dabei alle Freiheiten, aber leider auch keinen klaren Kurs. So sehr einem die Freiheiten die Möglichkeit gaben, etwas wahrlich Großes zu schaffen, so leicht konnte man sich auf dem offenen Ozean auch verirren und niemals zurückfinden.
    Eines Tages – ich hatte Wagner beinahe schon vergessen – klingelte es spät in der Nacht an meiner Tür. Es war zu jener Zeit nicht ungewöhnlich, mich auch im Morgengrauen noch am Computer vorzufinden – auf Buchstaben konzentriert und ringend um Worte. Erst als die Türglocke das dritte Mal läutete, begriff ich, woher dieses Geräusch überhaupt kam. Nur mit einem Morgenmantel bekleidet, sah ich von der Arbeit auf und ging zur Türe. Ich hatte mit meinem Lektor gerechnet, vielleicht auch dem einen oder anderen Freund, der mir betrunken einen Besuch abstatten wollte. So blickte ich sehr verwundert, nachdem ich die Türe öffnete und jener junge Mann vor mir stand, um den meine Gedanken so lange gekreist waren.
    Er befand sich augenscheinlich in einem mitleiderregenden Zustand. Die langen Haare vom Regen durchnässt. Die Kleidung, bestehend aus Maßanzug und Krawatte, am hageren Körper hängend, wie an einer Vogelscheuche. Das Bild war auf eine bitterböse Art witzig. So, als hätte der Schauer ihn auf dem Weg zu einer wichtigen Besprechung erwischt.
    Trotz seines offensichtlich aufgelösten Zustandes stellte er sich in aller Höflichkeit bei mir vor. Er drängte nicht, die Wohnung zu betreten und gab sich sehr gelassen. Obwohl er mir den Grund seines Erscheinens nicht verriet, bat ich ihn einzutreten und führte ihn zu einem Stuhl neben dem großen Kachelofen in meinen Wohnzimmer. Sodann reichte ich ihm trockene Kleidung und ein Handtuch. In jener Nacht erschien mir das völlig normal und vertraut. Nicht eine Sekunde kamen mir Zweifel, ob ich das Richtige tat.
    Nachdem er sich abgetrocknet und umgezogen hatte, bot ich ihm ein Glas meines besten Rotweins an und setzte mich in den weichen Ohrensessel vor den Kamin. Erst danach wagte ich die Frage zu stellen, die mir unter den Nägeln brannte, seit er durch meine Tür getreten war. Was hatte ihn zu mir geführt, obwohl wir uns gar nicht kannten?
    Er blickte mich lächelnd an und antwortete, dass er meine Blicke auf der Party sehr wohl bemerkt habe, es fehlte ihm lediglich der Mut, seine sichere Ecke zu verlassen und mich anzusprechen. Vielmehr hatte er sich mühsam durch seine wenigen Freunde meinen Namen verschafft und diesen Besuch lange geplant. Auf die Frage, warum er denn nun gerade jetzt hier sei, antwortete er, dass ihm meine Ge- schichten gut gefallen hätten, auch jene, die nur in billigen Zeitschriften als Kurzgeschichten abgedruckt worden waren und er gerne mit mir plaudern wollte. Meinen Roman hatte er noch nicht gelesen.
    Obwohl ich spürte, dass mehr dahinter stecken musste, schwieg ich über meine Zweifel und redete stattdessen über neue und alte Werke, über unsere Ziele als Schriftsteller und vielerlei andere Dinge. Die Zeit verging so schnell, wie sie es nur tat, wenn man sich bestens amüsierte und es war lange nach Mittag des folgenden Tages, ehe er mich wieder verließ.
    Von da an blieben wir in loser Verbindung: Er kam vorbei, wir redeten und er ging wieder. Obwohl wir über alles Mögliche sprachen, kam ich ihm nie wirklich nahe. Wann immer es um seine neuesten Pläne als Schriftsteller ging, erwachte er zu blühendem Leben und konnte stundenlang ohne Punkt und Komma reden. Wenn ich das Thema aber auf Privates lenkte wurde er still, schien in sich zu versinken, so als gäbe es neben dem Schriftsteller keinen Menschen unter seiner Haut. Er wirkte dann verloren und einsam.
    Was mich an Jack besonders faszinierte war seine Art der Konversation. Makellos, elegant und mit wohl bedachten Argumentationen von bestechender Logik. Oft fragte ich mich wie mein Lektor auf die absurde Idee gekommen war, dass dieser Mann an einer Geisteskrankheit litt. Er war geistig so wach und rege wie ein Mensch nur irgendwie sein konnte. Dass ein solcher Mensch sich und seine Umwelt vergiften sollte, blieb mir unverständlich. Dabei hätte ich den Sturm sehen müssen, der da vor meiner Veranda aufzog. Es lag alles vor mir, sozusagen »zwischen den Zeilen«. In der Art wie seine Augen unruhig umherschweiften, als würden sie den Raum nach etwas durchsuchen, das nur er sehen konnte. Wie er manchmal schneller zu

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