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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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und blickte an sich herunter.
    Helena schüttelte den Kopf und senkte beschämt den Blick. Auch wenn hier alles von tristem Grau bedeckt war, befürchtete sie, dass Alexandros die aufsteigende Schamesröte in ihrem Gesicht erkennen konnte.
    »Hast du auch einen Namen?«, fragte er.
    Helena schaute auf. Ihre Zunge spielte mit der kleinen Münze. Immerzu musste sie an die mahnenden Worte ihres Vaters denken, auf keinen Fall ein Wort zu sprechen, solange sie nicht an Bord war. Aber was sollte ihr hier im Schutze des Felsens schon passieren?
    »Hehenga«, murmelte sie und hielt dabei schützend die Hand vor ihren Mund.
    Alexandros stutzte.
    »Was ist denn das für ein Name?«, kicherte er.
    Helena rollte mit den Augen. Wieder schob sie die Münze im Mund umher und setzte erneut an: »Ich heiche Hehenga.«
    Alexandros begann schallend zu lachen. Helena boxte ihn.
    »Ohne Münze im Mund könnte ich dich vielleicht verstehen«, foppte er sie.
    Entnervt spuckte das Mädchen die Münze in ihre Hand, wischte sich den Speichel von den Mundwinkeln und zischte: »Helena, ich heiße Helena!«
    Alexandros nickte. Inzwischen war es stiller geworden am Ufer. Zögernd linsten beide Kinder hinter dem Felsen hervor. Das Handgemenge hatte sich weitestgehend aufgelöst.
    Die Mutter der kleinen Kinder, welche Helena zuvor beobachtet hatte, stand heulend bei dem Pulk der verlorenen Seelen. Ihre Kinder wurden von Toten gehalten, die den Einstieg in das Schiff planten. Offenbar hatten einige der neuen Seelen in dem Gemenge ihre Münzen verloren.
    Fassungslos starrte Helena die Gruppen an. Charon ließ jeden an Bord gehen, der ihm einen Obolus überließ. Keine Gerechtigkeit für das unfaire Verhalten. Das Schicksal des Einzelnen bedeutete ihm nichts. Helena war endlos enttäuscht.
    Plötzlich packte Alexandros ihre Schultern und warf sie auf den Rücken. Die Haare fielen ihr ins Gesicht, so dass sie kaum etwas sehen konnte. Der Junge war sehr viel stärker als Helena angenommen hatte. Ihre Faust presste sich eisern um die Münze, die Fingernägel schnitten dabei unangenehm in ihre Handballen. Alexandros Schenkel pressten sich kräftig gegen ihr Becken und seine kleinen Hände umklammerten ihre Handgelenke.
    »Gib mir die Münze«, zischte er und rüttelte ihre Hand.
    »Niemals«, schrie Helena. Sie wand sich wie ein Aal, doch Alexandros Griff verstärkte sich dadurch noch mehr.
    »Gib her, sonst ...«, knurrte er und schlug Helenas Faust gegen den Felsen. Die Knöchel schmerzten unter dem Aufprall. Mit Tränen in den Augen presste sie die Zähne aufeinander, aber Alexandros holte erneut aus und schlug ihre taube Faust noch fester gegen den kalten Stein.
    Kreischend öffnete sie ihre Hand und die Münze fiel in das kurze Gras, direkt neben ihren Kopf.
    Blitzschnell schnappte sich Alexandros die Münze, schob sie in seinen Mund und sprang auf. Helena brauchte einen Moment, ehe sie fähig war, ihre Hand zu benutzen. Der Schmerz pulsierte kräftig in ihren Gliedern. Heulend, vor Überraschung und Schmerz, stand sie auf, das Kleid übersät mit Flecken und Dreck.
    So schnell ihre Beine sie trugen, rannte sie zu Charon, der soeben auf das Schiff gehen wollte.
    »Halt, bitte ... vergesst mich nicht!«, rief sie schluchzend.
    Doch auf dem Steg kam Helena ins Straucheln und stürzte. Das Holz ächzte unter dem Aufprall ihres Körpers und Splitter fraßen sich in ihre zarte Haut. Mit letzter Kraft rettete sie sich davor, in den Styx zu fallen und in die ewige Verdammnis gezogen zu werden.
    Charon sah von oben auf das Mädchen herab. Seine Miene war versteinert.
    »Charon, ich flehe dich an. Alexandros ...«, sie deutete auf den Jungen, der zwischen den anderen saß. »Er hat mir die Münze gestohlen! Bitte glaube mir. Es war meine Münze!«
    Charon sah Alexandros durchdringend an. Angst und Verzweiflung standen in dessen Gesicht geschrieben. Kaum merklich schüttelte er den Kopf. »Er hat bezahlt, es war sein Obolus. Ich kann nichts für dich tun, Kind«, donnerte Charon und schob das Schiff mühelos vom Steg.
    Seine Worte hallten unwirsch in Helenas Kopf. Schluchzend vergrub sie das Gesicht in ihren Händen und ihr Körper bebte in Trauer und Angst. Sie wusste, auf ewig würde sie nun hier gefangen sein, denn wie sollte ein kleines Mädchen unter den Verdammten jemals an eine neue Münze gelangen.
*
    Tage vergingen, ohne dass die Sonne aufging oder der Mond schien. Die Verdammten vegetierten rastlos vor sich hin, tummelten sich im Gestrüpp am Ufer

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