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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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da draußen?«
    Er hatte rufen wollen, aber alles was sein geschundener Körper zustande brachte, war ein heiseres Wispern, kaum lauter als das allgegenwärtige Knacken der Zweige im ewigen Wasserstrom.
    Zuerst glaubte er, sein Besucher hätte ihn überhaupt nicht gehört, so leise waren seine Worte gewesen. Und zuerst kam auch überhaupt keine Reaktion von draußen. Dann jedoch, gerade als Navin zum zweiten Mal auf sich aufmerksam machen wollte, knisterten die dünnen Zweige um ihn herum und auf einmal verdunkelte sich sein Ausgang zu Licht und Wasser. Eine Gestalt blickte zu ihm herein.
    Navin konnte im Dämmerlicht keine Gesichtszüge ausmachen, aber die Gestalt wirkte gegen den helleren Hintergrund nicht sehr groß und kräftig.
    »Ist hier jemand drin?«
    Die Stimme eines Mädchens. Oder bestenfalls einer jungen Frau.
    Navin atmete auf und versuchte, ein Stück aus seinem Versteck hinauszukrabbeln, seine Arme und Beine wollten ihm jedoch nicht recht gehorchen. Wahrscheinlich hatte er zu lange in der gleichen Position dagelegen. Jedenfalls fühlte es sich jetzt so an als liefe eine ganze Armee aus Ameisen durch seine Adern und seine Muskeln wollten ihm nicht mehr gehorchen. Seine Gliedmaßen waren totes Fleisch, das irgendjemand an seinen Körper gehängt hatte.
    »Ich ...«, krächzte er schließlich als Antwort. »Ich bin hier drin.«
    »Wer ist 'ich' ?«, wollte das Mädchen wissen. Navin erkannte, dass sie ihre Augen mit der Hand beschattete, um besser sehen zu können. »Sind Sie ein Soldat?«
    Navin hätte am liebsten gelacht, aber er wusste nicht mehr, wie man das machte. Seine Lachmuskeln schienen genauso einrostet zu sein, wie die Muskeln in seinen Armen und Beinen.
    »Mein Name ist Navin«, sagte er, »und es ist lange her, dass ich eine Waffe getragen habe. Der Fluss ... hat mich hierher gebracht. Ich lebe hier.« Besser gesagt, ich sterbe hier , dachte er. Denn das würde er sicher tun, wenn er noch ein, zwei Tage hier lag und sich nicht bewegte. »Kannst du mir heraus helfen? Ich fürchte ... ich bin ein wenig verkrampft.«
    Die Gestalt verschwand abrupt aus der Öffnung und Navin konnte wieder das blasse Tageslicht sehen, verschleiert durch den ständigen Regen. Hatte er das Mädchen verschreckt? Das war nicht seine Absicht gewesen. Aber wahrscheinlich hatte auch sie gelernt, in dieser Welt misstrauisch zu sein. Wer das nicht war, starb früher oder später. Aber Navin hatte gehofft, dass noch ein wenig Menschlichkeit irgendwo übrig geblieben war. Und er hatte geglaubt, sie in der Stimme dieses Mädchens zu hören. Offensichtlich hatte er sich getäuscht.
    Etwas fiel neben ihm in die Zweige. Navin starrte darauf, ohne zu erkennen, was es war. Eine Schlange , dachte er und zuckte schwach zurück. Doch dann erkannte er ein Seil. Das Ende eines leuchtend blauen Kletterseils. Es war so kräftig gefärbt, dass es Navin in den Augen schmerzte, es anzusehen.
    Wieder verdunkelte sich die Öffnung und das Mädchen sah zu ihm herein. »Ich komm' nicht an Sie heran«, sagte sie. »Meine Arme sind zu kurz. Aber Sie können sich am Seil festhalten. Wenn ich ziehe und Sie ... mitarbeiten, bekomme ich Sie vielleicht da raus.«
    Immer noch starrte Navin das Seil an. Dann bewegte er langsam seine Finger darauf zu. Wie eine weiße Spinne sah seine Hand aus, als sie sich dem Seil näherte. Als seine Fingerspitzen das blaue Material streiften, wäre er beinahe wieder zurückgezuckt. Es fühlte sich seltsam an. Unwirklich. Wie etwas aus einer anderen Welt. Aus der Welt vor dem Wasser, dem Regen, der Seuche, dem Krieg, den Plünderern.
    Zögernd schloss er erst eine Hand um das Seil, dann die andere. Er versuchte, seine Muskeln besonders fest anzuspannen, doch dabei begannen seine Hände sofort unkontrolliert zu zittern. »Wir können es versuchen«, sagte er. »Ich versuche es jedenfalls. Ich hoffe nur, ich kann mich festhalten.«
    »Das schaffen Sie«, klang die aufmunternde Stimme des Mädchens herein. Dann verschwand sie wieder aus der Öffnung und kurz darauf begann das Seil zwischen Navins Fingern zu zucken.
    Zweimal glitt es ihm aus der Hand und das Mädchen musste es ihm erneut zuwerfen, bevor er daran dachte, sich das Seilende einfach um die Handgelenke zu wickeln und das Ende zwischen seinen Fingern zu halten. Zwar schnürte es so das Blut ab, als das Mädchen wieder zu ziehen begann, doch immerhin forderte es ihm weniger Kraft ab. Irgendwann brachte er auch seine Beine dazu, sich zu strecken, seinen schweren,

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